Mittwoch, Juli 23, 2025

LiteraTurnier: Kulturpreis und gewohnt bissiger Bücherstreit

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Werne. 31 offizielle Ausgaben, 14.000 Euro für den Förderverein der Stadtbücherei, 116 besprochene Bücher und tausende Literaturinteressierte – diese Bilanz war mehr als Grund genug, dem LiteraTurnier den Kulturpreis der Stadt Werne zu verleihen.

100 Zuschauerinnen und Zuschauer füllten zu diesem Anlass am Mittwoch (20. November 2024) das Wohnzimmer der Stadtbücherei komplett aus, um nicht nur der Verleihung beizuwohnen, sondern auch den bissigen Bücherstreit zu genießen.

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Nach den Begrüßungsworten des Vorsitzenden des Fördervereins, Andreas Bassendowski, und von Buchhändler Hubertus Waterhues von Bücher Beckmann dankte Bürgermeister Lothar Christ den Protagonisten für ihre Verdienste um die Kultur in Werne. „Das LiteraTurnier ist ein Plädoyer für das Lesen“, stellte er fest. Er erinnerte an den viel zu früh verstorbenen Ideengeber des LiteraTurniers, Martin Kersting, der das Konzept zusammen mit Waterhues entwickelt hatte. Der Applaus des Publikums unterstrich die Beliebtheit der Veranstaltungsreihe und ihrer Mitwirkenden. Ein wichtiger Aspekt beim LiteraTurnier ist immer die Interaktion mit und Nähe zum Publikum.

Fand die erste Ausgabe im Sommer 2009 noch ohne Kabarettistin Liane Jäger statt, war danach klar, dass die Runde eine weibliche Note benötigte. Krimifestivalleiter Hartmut Marks, Schauspieler Ludger Burmann, Autor und Verleger Magnus See und Liane Jäger streiten nun schon äußerst unterhaltsam seit 15 Jahren über Bücher, immer mit viel Wortwitz moderiert von Dieter Vatheuer.

Auch beim 31. LiteraTurnier enttäuschte das Team nicht und diskutierte mit viel Humor, kleinen Boshaftigkeiten gegenüber sich selbst, aber auch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit über die auf dem Programm stehenden Bücher unter dem Motto „Die Geschichte in mir“.

Kein anderes Buch wurde an dem Abend so unterschiedlich bewertet wie der Debütroman von Schauspielerin Caroline Peters, „Ein anderes Leben“. „Ich war tief berührt von der vielschichtigen Geschichte“, verteidigte Liane Jäger. Magnus See sah in dem Familienroman „sehr viel Redundanz“, Hartmut Marks fand es langweilig, Ludger Burmann hatte das Hörbuch gehört, von Peters selbst eingelesen. „Geht gar nicht“, meinte der Schauspieler. „Als hätte der Regisseur Hemmungen gehabt, ihre Fehler zu korrigieren.“ Das Buch ist laut Waterhues ein Verkaufsschlager. Dieter Vatheuer urteilte: „Das Buch ist vielleicht eher ein Frauenroman.“ Und Magnus See unterstrich ironisch: „Vielleicht sind wir zu sehr alte weiße Männer.“

Auch beim 31. LiteraTurnier enttäuschte das Team nicht und diskutierte mit viel Humor, kleinen Boshaftigkeiten gegenüber sich selbst, aber auch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit über die auf dem Programm stehenden Bücher unter dem Motto „Die Geschichte in mir“. Foto: Gaby Brüggemann

„Dieses Meer. Dieses unerbittliche Meer“ von Francesca Maria Benvenuto dagegen brachte Magnus See zur Diskussion mit. Der 15jährige Mörder Zeno sitzt in einem Gefängnis auf der Insel Nisida und muss auf Geheiß seiner Lehrerin Briefe schreiben. Dabei gibt er in unperfekter Sprache Einblicke in sein bewegtes Leben. Die einhellige Meinung war, dass diese Buch ein großartiges Kleinod in der Literaturlandschaft ist, besonders aufgrund der authentischen Erzählart, der bewegten, auch traurigen Episoden aus dem Leben von Zeno, aber auch durch den Humor. Selbst Lothar Christ war begeistert. „Eine solche Geschichte oder die Prämisse des Buches wäre uns sicher nicht eingefallen.“ Und so gelingt es der Autorin, die Leserinnen und Leser in ein ganz ungewöhnliches Leben eintauchen zu lassen.

„Sputnik“ von Nikita Afanasjew, vorgestellt von Hartmut Marks, handelt von einem Reporter namens Leo Puschkin, der undercover den Sender „Russia Today“ infiltrieren und diskreditieren soll. Seine Enthüllungsstory findet aber keine Abnehmer, daher wird er reich durch den Verkauf seines gestreckten Kaviars „Sputnik“. Eine feine Mediensatire um die Suche nach der nächsten großen Story sowie ein Schelmenroman, der den Literaturstreitern viel Spaß gemacht hat. „Dass der Autor viel Spaß am Fabulieren hatte, merkt man an den tollen Formulierungen“, attestierte Magnus See.

Zuletzt präsentierte Ludger Burmann den Roman „Radieschen-Revolution“ von Christian Lorenz Müller, über einen Literaturkritiker, der zusammen mit seiner Frau das Gärtnern entdeckt und in die Dynamik eines Kleingartenvereins mit dessen Regelungen gerät. Das Urteil fiel unterschiedlich aus. Burmann und Jäger fanden das Buch unterhaltsam und lesenswert, vor allem wegen der Vereinsmeierei, die aufs Korn genommen wird. Magnus See war enttäuscht und gelangweilt. „Man hätte aus dem skurrilen Figurenensemble mehr rausholen können.“ Hartmut Marks brachte einen Radieschenbund mit und meinte ironisch: „Lieber sehe ich mir die von unten an, als noch mal dieses Buch zu lesen.“

Am Ende machten die frisch gebackenen Kulturpreisträger das Publikum im Quiz mit Preisen glücklich. Aufgabe war, „die Geschichte in dir“ in einem Satz zu formulieren. Das förderte sehr lustige Buchtitel zutage. An diesem Abend ging das Publikum mit der Erkenntnis nach Hause, dass man über Literatur sehr lebendig streiten kann. Und der Bürgermeister bat darum: „Bitte, macht mindestens noch 15 Jahre weiter!“

Das nächste LiteraTurnier findet wie gehabt an Aschermittwoch – 5. März 2025 – statt.

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