Freitag, November 28, 2025

Finanzierung Rettungsdienst -Systemwechsel steht bevor

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Werne/Kreis Unna. Wenn der Notruf 112 gewählt wird, rückt der Rettungsdienst aus, um Menschen in medizinischen Notlagen Hilfe zu leisten und sie gegebenenfalls zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus zu bringen.

Nicht immer aber wird diese Notfallhilfe inklusive Transport im Rettungswagen (RTW) auch tatsächlich benötigt, weil es sich etwa um einen Fehlalarm handelt oder weil der Einsatz des Rettungswagen nicht notwendig ist. Bei anderen Einsätzen wiederum wird der Patient vom Rettungsteam z.B. in seiner Wohnung (oder in einer Pflegeeinrichtung) notfallmedizinisch versorgt, muss anschließend aber nicht in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

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Diesen Fällen ist trotz ihrer Unterschiedlichkeit gemeinsam, dass eben keine Transportfahrten anfallen und sie somit als Fehl- oder Leerfahrten gewertet werden. Doch wann ist der Transport in ein Krankenhaus notwendig und wann nicht? Und ist dies für einen Patienten, der Schmerzen hat und in Angst ist, überhaupt zu erkennen?

Gesetzliche Kassen in NRW wollen RTW-Fahrten nur noch anteilig erstatten

Bislang wurden die Kosten für Fahrten mit dem Rettungswagen in NRW von den gesetzlichen Krankenkassen vollumfänglich übernommen, eine Praxis, die laut deren Ankündigung künftig nur noch anteilmäßig übernommen werden sollen. Als Träger des Rettungsdienstes stünde der Kreis Unna und mit ihm seine Kommunen Kamen, Lünen, Schwerte, Unna und Werne bei der „Finanzierung des Rettungsdienstes des Kreises Unna somit vor einer ernstzunehmenden Herausforderung“, wie Kreispressesprecher Max Rolke in einer Medienmitteilung ausführt.

Hintergrund: „In NRW haben gesetzliche Krankenkassen angekündigt, die von Kreistagen und Räten in Satzungen beschlossenen Gebühren nicht mehr vollständig zu zahlen und stattdessen geringere pauschale Beträge zu übernehmen. Im Kreis wolle man mit den betroffenen Städten auf die Krankenkassen zugehen mit dem Ziel, die bestehende Abrechnungs- und Verwaltungspraxis mit den Krankenkassen beizubehalten“, heißt es.

Auch in den genannten Rathäusern sowie im Kreishaus seien Schreiben der Krankenkassen eingetroffen, schildert Rolke. „Bürgerinnen und Bürgern könnten damit absehbar Rechnungen für Leistungen des Rettungsdienstes drohen, die sie privat bezahlen und sich dann an die Krankenkassen zwecks Erstattung wenden müssten. Die Verantwortlichen aus den Städten sowie der Kreisverwaltung wollen dies verhindern und haben entsprechende Aktivitäten gestartet.“

Jahrzehntelange Praxis bald Vergangenheit?

„Eine Fahrt in einem Rettungswagen kostet laut Satzung der Kreisverwaltung rund 2.700 Euro. Darin enthalten sind auch die Vorhaltekosten für Personal, Fahrzeuge, Ausstattung und Infrastruktur. Nur so können wir eine flächendeckende und qualifizierte Notfallrettung sicherstellen. Die Krankenkassen stellen jetzt aber die komplette Kostenübernahme in Frage. Das war aber bisher jahrzehntelange geübte Praxis. Sie wollen nur noch rund 1.700 Euro erstatten, der Rest bleibt offen“, skizziert Landrat Mario Löhr das angesprochene Problem.

Die Krankenkassen begründeten ihren Schritt damit, dass die Entgelte für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rettungsdienstes zu hoch seien. Dies betreffe unter anderem die Leerfahrten und die Einsätze, die nach erfolgter Behandlung keinen Transport erfordern würden. Die Krankenkassen seien zur Übernahme dieser Kosten nicht mehr bereit, wird in der Kreis-Mitteilung ferner erläutert.

Landrat Mario Löhr: „Es geht um die medizinische Daseinsvorsorge“

„Die von den Krankenkassen bezogene Position ist geeignet, das gesamte System der Notfallversorgung ins Wanken zu bringen. Es geht um die medizinische Daseinsvorsorge. Wenn wir gezwungen sind, die Gebühren künftig direkt mit den Patient/innen abzurechnen, droht die Gefahr, dass jemand, der in Not ist, aus Angst vor dem Bescheid keinen Rettungswagen mehr ruft. Niemand sollte aus Angst darauf verzichten und so möglicherweise seine oder die Gesundheit anderer gefährden“, bezieht Löhr klar Stellung.

Anteil von „Fehlfahrten“ des RTW in Werne jährlich bei rund 20 Prozent

Wernes Sozialdezernentin Kordula Mertens hat auf Anfrage von WERNEplus den Anteil von „Fehlfahrten“ an den jährlichen Einsätzen des Rettungswagens von 2020 bis 2025 beziffert und eingeordnet, welche Kosten auf die Stadt zukämen.

Demnach werden in Werne zwei Rettungstransportwagen (24-Stunden-Dienst), ein Notarzteinsatzfahrzeug (24-Stunden-Dienst) und im laufenden Jahr ein Reserve-Rettungswagen eingesetzt. Ein weiterer RTW wird 2026 im Tagesdienst von 7 bis 19 Uhr im Einsatz sein.

Anteil der „Fehlfahrten“ in Werne von 2020 bis 2025

2020     gesamt 5.389 Einsätze   rund 20 Prozent „Fehlfahrten“

2021     gesamt 6.058 Einsätze   rund 21 Prozent „Fehlfahrten“

2022     gesamt 6.313 Einsätze   rund 23 Prozent„Fehlfahrten“

2023     gesamt 5.586 Einsätze   rund 20 Prozent „Fehlfahrten“

2024     gesamt 4.894 Einsätze   rund 20 Prozent Fehlfahrten“

2025     gesamt rund 5.000 Einsätze eingeplant. Konkrete Zahlen liegen noch nicht vor. Anteil der „Fehlfahrten“ dürfte aber auch wieder in der Größenordnung sein.

„Beim Rettungsdienst der Stadt Werne würde das Thema „Leerfahrten/Fehlfahrten“ für die Stadt Werne pro Jahr circa 1.000.000 Euro „Ausfall“ bedeuten (rund 20 Prozent der Gesamtfahrten pro Jahr sind betroffen)“, so Kordula Mertens.

Brief an Krankenkassen

Der Kreis Unna und die betroffenen Städte haben sich bereits mit einem gemeinsamen Brief an die Krankenkassen gewandt, parallel hierzu sollen diese kurzfristig zu einem Fachaustausch eingeladen werden, berichtet Max Rolke. Der Vorschlag: Das Ergebnis einer Bundesratsinitiative solle abgewartet werden. Diese Initiative wolle die gesetzlichen Grundlagen der Abrechnung im Rettungsdienst überarbeiten.

Andernfalls müssten sich der Kreis und seine betroffenen Kommunen einen anderen Weg der Abrechnung überlegen. „Wir wollen im Sinne der Bürger/innen handeln und müssen daher zunächst in Verhandlung mit den Krankenkassen treten“, so der einstimmige Tenor der Betroffenen.

Die Krankenkassen wollen die geringeren pauschalen Beträge ab September 2025 anwenden. Derzeit werden beim Kreis und in den meisten Städten noch ältere Einsätze abrechnet. Man wolle gemeinsam mit den Krankenkassen sprechen. Niemand solle sich scheuen müssen, die 112 zu wählen, so Max Rolke gegenüber WERNEplus.

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