Werne. Es war ein Abend, der nicht leise in die Adventszeit hinüberglitt, sondern sie öffnete – so, wie es der Titel versprach. Am 1. Advent, in einer bis auf den letzten Platz gefüllten Christophorus-Kirche, beging der Philharmonische Chor Dortmund sein Jubiläum mit einer Geste, die zugleich Einladung und Versprechen war.
Zu Beginn trat Pfarrdechant Jürgen Schäfer an das Lesepult und begrüßte Chor und Zuhörende mit Worten, die Ton und Stimmung setzten: „Die Adventszeit hat begonnen – eine Zeit mit wunderschönen Konzerten.“ In diesem Moment war klar, dass dieser Abend mehr sein würde als ein Programmpunkt im Kalender. Er war Auftakt. Öffnung. Erwartung.
Der Chor setzte diese Erwartung unmittelbar in Klang um: „Machet die Tore weit“ von Hammerschmidt klang nicht dekorativ, sondern wie ein musikalisches Aufschieben innerer Türen – transparent geführt, mit hell austarierten Registern. Praetorius’ „Psallite, unigenito“ folgte beweglich und federnd, ein frühes Zeichen dafür, dass Präzision und Fluss sich nicht ausschließen.
Nun trat Andreas Freitag, Vorsitzender des Chorvereins Dortmund, vor das Publikum. Mit Dank an Kantor und musikalischen Gastgeber der Musica Sacra Westfalica Dr. Hans-Joachim Wensing für die Einladung und „die Möglichkeit, in dieser wundervollen Kirche zu musizieren“. Dem Chorleiter und Dirigenten Granville Walker dankte er für seine phantastische Arbeit seit 2003 und gab dem Abend seine historische Tiefe: 180 Jahre Chorgeschichte, getragen von Gegenwart und Zukunft. Wer zuhören konnte, hörte in diesen Worten auch viel Stolz und Dankbarkeit.
Dann nahm der Abend richtig Fahrt auf.
Bach, als würde jemand die Zeit anhalten
„Schmücke dich, o liebe Seele“ – der Satz, der oft in Süßlichkeit verfließt – wirkte hier wie ein fein gewobenes Gebet. Das Cello, nicht solistisch, sondern seelenführend, dialogisierte mit dem Chor so warm, dass man im Publikum deutlich spürte, wie der Raum ruhiger wurde. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen Musik nicht gespielt, sondern gewährt erscheint.
Mendelssohns „Wie lieblich sind die Boten“ strahlte dagegen mit leichter Transparenz, während „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ eine beinahe schwebende Schutzdecke über den Kirchenraum legte.
Walker übernahm die Führung durch das Programm – mit genau jener Mischung aus humorvoller Leichtigkeit und kenntnisreicher Präzision, die man seit Jahren mit seinem Namen verbindet. Seine Moderationen wirkten nicht wie Vortrag, sondern wie Hinführungen: unaufgeregt, klug und humorvoll platziert, mit einem feinen Blick auf Übergänge und Klangcharaktere.
Ein eigenes Kapitel: das Ensemble der Dortmunder Philharmoniker
Nicht zu überhören war an diesem Abend das kleine Ensemble der Dortmunder Philharmoniker, das mit feiner Kammerbesetzung begleitete. Ihr Instrumentalstück – transparent, präzise phrasiert, von warmem Streicherklang getragen – setzte einen eigenständigen Ruhepunkt im Programm. Kein Zwischenspiel im Sinne eines Lückenfüllers, sondern ein musikalischer Brennpunkt, der zeigte, wie gut Chor und Instrumente farblich miteinander verwoben waren. Ein kurzer Satz, doch ein klug gesetztes Leuchten.
Dramatische Bögen und stille Glanzpunkte
Danach setzte Walmsleys Magnificat in D-Moll die dramatischen Akzente dieses Abends – strukturiert, ernst, mit klarem Spannungsverlauf. Danach Brahms: „Englischer Gruß“ – schlicht und von jener Schönheit, die keinen Glanz braucht. Rutters Weihnachts-Wiegenlied atmete warm, aber nie sentimental, ein ruhender Puls zwischen stärker konturierten Werken.
Einer der selten zu hörenden „Edelsteine“ war Max Bruchs „Chor der Kundschafter“ aus Moses. Der Chor erzählte, statt bloß zu singen – ein Werk, dessen dramatische Kurve getragen wurde von Textklarheit und entschiedener Linienführung.
Charles Woods „O Thou The Central Orb“ bündelte schließlich das, was diesen Abend prägte: innere Ruhe, klangliche Weite, feine Stimmarchitektur.
Dann – gemeinsam, verbindend – „Herbei, o ihr Gläub’gen“. Nicht als Zugabe, sondern als gemeinsamer Ausklang mit dem Publikum. Danach stand die Kirche – schlicht gesagt – Kopf. Minutenlanger Applaus, warm, aufrichtig, stehend.
Granville Walker – der stille Motor des Erfolgs
Walker dirigiert frei von Geste, frei von Eitelkeit. Er ermöglicht, strukturiert, bietet Raum. Und führt seinen Chor zu Höchstleistungen. An diesem Abend war seine Handschrift hörbar: ein Chor, der nicht imponieren will, sondern überzeugt.
Dieses Jubiläumskonzert wollte nicht blenden – und glänzte gerade deshalb. Ein Abend, der Tore öffnete – unaufgeregt, aber weit. Ein Auftakt, der bleibt.






















