Werne. Die Wanderausstellung „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ macht vom heutigen Montag (31. Januar 2022) an für sechs Wochen Station in der VHS Werne.
Im Foyer des Alten Amtsgerichts, Bahnhofstraße 8, wird auf 20 Schautafeln Wissenswertes zu Historie, Holocaust und jüdischem Alltagsleben anschaulich präsentiert. Mit dem im Jubiläumsjahr 2021 gestarteten bundesweiten Bildungsprojekt macht die Zeitbild-Stiftung deutlich, was jüdisches Leben in Deutschland ist: vielfältig, divers und lebendig.
VHS-Leiter Michael Hahn und Fachbereichsleiterin Dr. Andreas Martin eröffneten die Ausstellung, gemeinsam mit Heidelore Fertig-Möller und in Kooperation mit dem Heimatverein Werne. Anhand individueller Biographien werde die Vielschichtigkeit jüdischen Lebens abgebildet, angefangen von Kaiser Konstantin bis zur Gegenwart, machte Andrea Martin neugierig auf den Ausstellungsbesuch. Ob auf historischer, kultureller, religiöser oder politischer Ebene, die gesellschaftlichen Entwicklungen wurden von jüdischen Menschen in Deutschland mitgeprägt, ergänzte sie.
„Der Schwerpunkt liegt auf dem Alltagsleben“, betonte Dr. Martin mit Blick auf die Intention der Wanderausstellung, jüdische Perspektiven auf moderne und nachvollziehbare Art und Weise zu zeigen. Das sei wichtig für die junge Generation und für eine friedliche und pluralistische Gesellschaft. Hier werden Ausgrenzung und Miteinander gleichermaßen thematisiert, auf individueller Ebene und nicht pauschal, hieß es sinngemäß. „Die Lebendigkeit der jüdischen Erfahrung soll Verständnis und Sensibilität fördern und dazu beitragen, Anfeindungen, Ausgrenzungen und Antisemitismus zu bekämpfen“, lautet der Auftrag des Bildungsprojektes.

Einen kurzen Einblick in die Geschichte jüdischen Lebens in Werne gab die ehemalige Leiterin des Stadtmuseums, Heidelore Fertig-Möller. In den 1980er Jahren hatte sie zur Geschichte der „Juden in Werne“ recherchiert und in einem Band veröffentlicht. Darin findet sich unter Fotos und Skizzen an der Schautafel des Heimatvereins auch die Kopie eines Geleitbriefs, der 1566 erstmals für eine jüdische Familie ausgestellt wurde und einer Aufenthaltsgenehmigung – allerdings nur für zehn Jahre – entsprach. Ab 1600 siedelten sich weitere jüdische Familien in Werne an. In einem Verzeichnis von 1816 waren neun Familien inklusive ihrer Knechte und Mägde aufgelistet. Die Entstehung der Synagoge in der Marktpassage ist in den Quellen um 1860 datiert.
Fotos auf der Schautafel erinnern an die jüdische Familie Heimann aus Werne, deren Mitgliedern 1939 und 1940 die Flucht in die Vereinigten Staaten gelang. Mutter und vier Kindern entkamen 1940 buchstäblich auf dem letzten Schiff von Amsterdam der Verfolgung durch die Nationalsozialisten, berichtete Fertig-Möller, die mit Tochter Hanna Heimann korrespondierte.
Der denkmalgeschützte jüdische Friedhof an der Südmauer zeugt bis heute vom jüdischen Leben in Werne. 1690 hatte die jüdische Gemeinde das Gelände direkt an der Stadtmauer erworben. Diese Tatsache, das der dazu gehörige Teil der Mauer ebenfalls gekauft werden musste, verdanke die Stadt Werne den einzigen, heute noch existierenden Abschnitt ihre Grenzmauer, schilderte Fertig-Möller. Der älteste Grabstein stamme aus dem Jahr 1702. Sonstige Zeugnisse wie Fotos und Dokumente über 400 Jahre jüdischer Geschichte in Werne seien kaum vorhanden, bedauerte sie.

Die Ausstellung im Foyer des Alten Amtsgericht ist zu den üblichen Öffnungszeiten ohne Anmeldung unter Vorlage der Corona-Nachweise zu besichtigen. Ansprechpartnerin für Führungen ist Dr. Andrea Martin (02389/71558).