Werne. Fast zehn Jahre lang hat Pater Romuald Hülsken in Werne als Guardian des Kapuzinerklosters gewirkt. Am 20. März hat er sich offiziell verabschiedet und wird sich neuen Aufgaben im Kloster Clemenswerth im Emsland widmen. Anke Barbara Schwarze sprach mit ihm über seine spirituelle Heimat, über die aktuelle Kirchenkrise und den anstehenden Ortswechsel.
Pater Romuald, was kam zuerst – die Entscheidung, in einen Orden einzutreten oder der Wunsch, Kapuziner zu werden?
Zuerst kam die Berufung. 1979 habe ich am Kapuzinergymnasium Bocholt mein Abitur gemacht. Schon ein Jahr zuvor fühlte ich mich hingezogen zum Leben der Kapuziner. Das Leben zwischen Aktion und Kontemplation kam mir entgegen. Nach dem Abitur habe ich dann immer stärker gespürt: Du musst ausprobieren, ob dieses Leben für dich geeignet ist. Und ich wusste, ich muss diesen Schritt jetzt wagen. Sonst hätte ich nach einer Ausbildung oder einem Studium den Absprung eventuell nicht mehr so einfach geschafft. In der Praxis, im Noviziat im Kloster Werne, habe ich dann gemerkt: Es passt. Einmal habe ich auch an einem Informationswochenende des Bistums Münster teilgenommen, da ging es ums Priesteramt. Aber die Tätigkeit als Gemeindepfarrer hat mich nicht so angesprochen. Da ist man doch oft sehr auf sich allein gestellt und mir war die Gemeinschaft wichtig.
Die Klausur wird auch bei den Kapuzinern weniger streng gehandhabt als früher; auch das Internet hebt die Abgeschiedenheit hinter Klostermauern auf. Wo finden Sie Ihre geistigen Rückzugsorte?
Die finde ich im Gebet, in der Eucharistie und in der Meditation. Geistige Rückzugsorte dienen uns als Treppengeländer: Es sind notwendige Unterbrechungen, um mit Jesus auf dem Weg zu bleiben. Für uns Kapuziner erfolgt dieser Rückzug im gemeinschaftlichen Stundengebet. Dazu ziehen wir uns in einen eigenen Chorraum hinter dem Altar zurück. Als Ort der Stille ist dieser Chor sehr wichtig für uns – ein Ort der Ruhe, der Besinnung und des Ankommens. Und nach der Vesper (Anm. der Redaktion: das Abendgebet innerhalb der kirchlichen Stundengebete) gibt es noch eine gemeinsame stille Zeit. Wichtig ist es, eine die Balance zwischen Stille und Gespräch zu finden. Beim gemeinsamen Abendessen zum Beispiel ergeben sich viele Gespräche spontan, wie in einer Familie. Das finde ich sehr schön. Und manchmal tut es übrigens auch gut, den Computer gar nicht erst anzustellen.
Kirchenaustritte, Missbrauchsstudien, Reformsynode: Kirche und Kloster werden in Deutschland nicht mehr selbstverständlich bejaht. Wie lebt es sich in dieser Situation als Angehöriger eines Ordens?
Die ganze Entwicklung schlägt natürlich auf uns zurück, da auch Ordensleute als Vertreter der Kirche gelten. Hier in Werne geht es noch, aber es gibt schon kritische Nachfragen. Und zu Recht. Es sind viele Fehler gemacht worden – den Missbrauch so lange zu vertuschen und die Betroffenen nicht ernst zu nehmen. Die Opfer sexualisierter Gewalt leiden schließlich ein Leben lang. Ein großer Fehler ist es jetzt, seine Sünden oder Versäumnisse nicht zuzugeben, selbst wenn sie eindeutig nachgewiesen werden. Als ich eintrat war die Gesamtsituation der Kirche noch eine völlig andere. Heute fragen sich gerade junge Menschen, ob sie da noch mitmachen können. Und das kann ich nachvollziehen. Es fehlt eine positive Perspektive. Unsere christliche Botschaft ist gut, die hat immer noch Zukunft. Aber was das Bodenpersonal daraus gemacht hat, verdunkelt manches. Wir liegen mit vielen Dingen buchstäblich daneben.
Münster, Bad Mergentheim, Frankfurt, Werne – das waren Stationen Ihres Ordenslebens. Fallen die Ortswechsel manchmal auch schwer?
Die Kapuziner sind als franziskanischer Orden aus der Armutsbewegung entstanden. Dazu gehörte auch das Unterwegssein, was Franziskus sehr wichtig war. Wie jedes System hat das seine Vor- und Nachteile. Ortswechsel sind natürlich nicht immer leicht. Gerade wenn ich in einer Stadt eine Aufgabe mit Freude mache, fällt der Abschied schwerer. So ging es mir, als ich 2004 von Werne nach Frankfurt versetzt worden bin. Heute möchte ich die Erfahrungen, die ich dann dort gemacht habe, nicht mehr missen. Seit 2013 bin ich wieder sehr gern in Werne und finde es schade, wegzugehen. Allerdings gehören Versetzungen zu unserer DNA. Dadurch reißen natürlich bisherige Kontakte ab. Andererseits muss das auch sein, sonst könnten keine neuen entstehen. Und es liegen schließlich neue Chancen vor mir. Ich bin gespannt darauf, was in Clemenswerth auf mich zukommt. Das ist der Vorteil, in einer Gemeinschaft zu leben: Ich kann mit den Brüdern gemeinsam schauen, was jetzt in meinem Leben dran sein könnte.
Was werden Sie besonders vermissen, wenn Sie sich jetzt im März von den Menschen in Werne verabschieden müssen? Und auf was schauen Sie besonders gern zurück?
Ich habe hier viele schöne Begegnungen gehabt. Mit Vergnügen werde ich an die Gespräche mit den Pilgern zurückdenken, die auf dem Westfälischen Jakobsweg in Werne Station gemacht haben. Und an die vielen Besuche, die ich gemacht habe. Ich tausche mich mit einfach gern mit Menschen aus. Dazu kommt, dass wir Kapuziner in Werne immer starke Unterstützung erhalten, zuletzt bei der Renovierung der Klosterkirche und der Sanierung der Heizungsleitungen. Als Bettelorden sind wir immer auf Zuwendungen von Menschen angewiesen. Diese Hilfe durfte ich in Werne stark und positiv erfahren. Vermissen werde ich außerdem das Plätzer- und das Oktoberfest. Das Plätzerfest gehört zu den Traditionen, die schon da waren und die ich weiter gepflegt habe. Das habe ich immer so gehalten: Dinge erst einmal weiterzuführen. Und in Werne war in dieser Hinsicht genug zu tun. Diese Aufgaben waren gut und erfüllend.