Werne. Wenn ich als Kind über die Horneburg zur Schule ging, stieg mir am Ende der Straße der Geruch der Sole in die Nase. Ich wohnte fast um die Ecke zum Solebad und habe dort einen großen Teil meiner Kindheit und meines Erwachsenenlebens verbracht. Und daher einige einschneidende Wendepunkte in der Geschichte dieses Bades miterlebt.
Im wahrsten Sinne des Wortes einschneidend war mein frühestes Erlebnis im Werner Freibad. Selbst kann ich mich daran nicht erinnern, aber die Anekdote machte im Familienkreis die Runde. Meine Eltern hatten mich, ein Kleinkind von zwei Jahren, zum Schwimmen mitgenommen. Kaum steckte ich, gesichert durch signalfarbene Schwimmflügel, in der Sole, brüllte ich wie am Spieß. Das salzhaltige Wasser brannte heftig in einer kleinen Schramme am Ärmchen. Alle Versuche meiner Eltern, mich zu beruhigen, scheiterten.
Es nutzte auch nichts, mich aus dem Wasser zu heben – die Sole hatte sich hartnäckig in der Mini-Wunde festgesetzt. Es machte die Sache nicht besser, dass der neue Chef meines Vaters und seine Gattin die Szene vom Beckenrand aus höchst amüsiert beobachteten. Immerhin hatten beide, selbst Eltern, Verständnis und bewunderten die Ausdauer meiner Lungenkraft.
Ja, diese Sole. Es war noch die Sole, die direkt aus dem Schacht III in Rünthe kam: sumpfbraun, undurchdringlich und pullewarm. Es schwamm sich darin fast von selbst. Doch bis zum ersten Schwimmkurs tobten wir Nichtschwimmer uns lieber in dem halbrunden Planschbecken des Freibades aus, das zur Horneburg hin angelegt war.
Zu dieser Zeit bestand noch die historische Badeanlage aus den 1930er-Jahren. Der Haupteingang lag in Richtung Friedhof, von diesem durch die Spielplätze des Tennisclubs Blau-Weiß Werne getrennt. Dahinter befanden sich Umkleidekabinen in einem langgestreckten, schlichten weißen Gebäude. Das Flachdach über den Kabinen diente als Terrasse für ein Café und als Festplatz für die legendären Terrassenfeste der TV Wasserfreunde.
Rings um die Becken breiteten sich die Liegewiesen aus und zur Horneburg hin eine kleine, parkähnliche Anlage mit Bänken. Und dort, etwas versteckt, wartete auf uns Kinder eine kleine Attraktion – eine bunt bemalte, ausrangierte Dampfwalze. Der Anblick einer solchen Rostlaube würde heute jedem staatlich geprüften Spielplatz-Abnehmer die Schweißtropfen auf die Stirn treiben. Für uns war es damals ein herrliches Klettergerüst.
Sprung ins kalte Nass eine Mutprobe
Die Duschanlagen des Freibads waren mit grob behauenen Natursteinen eingefasst. Aus den Duschen regnete es naturkaltes Wasser. Ähnlich temperiert war das Wasser im Sportbecken, das sich nur in stabilen Sommern erwärmte. Als Schüler machten wir aus dem Sprung in dieses kalte Nass eine Art Mutprobe – jedenfalls diejenigen, die nicht durch ihre Mitgliedschaft bei den Wasserfreunden des Turnvereins abgehärtet waren.
Wesentlich angenehmer schwamm es sich da ab 1975 im geheizten Sportbecken des Hallenbades. Hier lernte ich unter den wachsamen Augen von Günther Wagner schwimmen. In den Anfängen des Hallenbades befand sich die Caféteria am Kopfende des Sportbereichs. Von dort konnten Mütter oder Väter die ersten Schwimmversuche ihrer Kinder im Auge behalten. Manchmal lud mich meine Mutter nach dem Kurs noch zu einem heißen Kakao oder einer Portion Pommes in die Caféteria ein. Umweht von einer Mischung aus Chlorgeruch und salzigem Fett saß ich angenehm geschafft in der feuchten Schwimmbad-Luft und genoss den Ausblick auf die nachfolgenden Anfänger.
Bad wurde zur zweiten Heimat
Bis 1986 war das Werner Bad meine zweite Heimat, zumal unsere Familie, angefangen bei meiner Großmutter, aus Wasserratten bestand. Als es dann hieß, das Freibad werde abgerissen und ein neues gebaut, war ich enttäuscht, musste ich mich doch von einem vertrauten Bild meiner Kindheit verabschieden. Nachdem das neue Freibad im Sommer 1988 eröffnet worden war, nahm ich meine Schwimmrunden mit gemischten Gefühlen wieder auf. Immerhin: Sportbecken und Außenduschen wiesen erträgliche Temperaturen auf und an die restlichen Änderungen gewöhnte ich mich schnell.
Sommer 1989 mit Sonne und Wärme
Ein Jahr später machte ich Abitur und bevor ich mich zum Studium aus Werne verabschiedete, lag ein langer Sommer vor mir. Dieser Sommer 1989 bestand gefühlt nur aus Sonne und Wärme. Die meiste Zeit davon verbrachte ich mit meinen Freundinnen im neuen Freibad. Dank der Familienkarte zahlten wir als Noch-Schüler damals nur eine Mark Eintritt.