Sonntag, Dezember 1, 2024

Gelungene Premiere trotz Gewitter über der Freilichtbühne

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Werne. Die Ehefrau kriegt die Bestellung nicht auf die Reihe, die Tochter muss aufs Klo. Trotzdem kennt der filmwütige Familienvater keine Gnade. Die eine lässt er endlos wiederholen und die andere warten, bis er alles im Kasten hat. Es sind skurrile Szenen, die sich an der Raststätte gen Süden abspielen.

Natürlich gibt es dort „Currywurst und Pommes“ – ebenso wie in der Freilichtbühne Werne. Nicht nur in Form des real existierenden Imbisses. Sondern als Unterhaltungsstück der diesjährigen Saison. Wegen des deutsch-dänischen Achtelfinales war die Premiere am Samstagabend (29.06.2024) zwar nicht ausverkauft. Mehr als 400 handfeste Freilichtbühnenfans genossen jedoch das Kaleidoskop von Sketchen an der Pommesbude.

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Wetterfest musste das Publikum außerdem sein: Schweren Herzens entschlossen sich die Verantwortlichen der Freilichtbühne, die Premierenvorstellung 15 Minuten vor Schluss abzubrechen. „Den ganzen Tag über habe ich alle verfügbaren Wetterdaten verfolgt“, erklärte Marius Wetter, Vorsitzender und Regisseur des Stücks. Doch die Gewitterfront nahte früher als angekündigt. „Da die Sicherheit unserer Zuschauer und des Ensembles für uns immer an erster Stelle steht, haben wir kurzfristig abgebrochen.“ Zuschauer, die abgeholt wurden, nahm das Bühnen-Team mit ins Spielerheim – zum ersten Premierengetränk.

Budenbesitzerin Penny (Tanja Bergmann, links) hat ein gutes Herz: Für das streitbare Geschwisterpaar (Emma Schmucker, Johannes Schwarze) gab’s eine halbe Pommes umsonst. Foto: Schwarze

Grund zum Feiern gab es trotz allem, immerhin ging der Großteil des Stücks gut und amüsant über die Bühne. Seit 30 Jahren managt Penny ihren Imbiss an einer Autobahn, die nach Italien und zurück führt. Und erlebt täglich Mini-Dramen vor ihrer Bude. Frank Pinkus und Nick Walsh, die Autoren des Stücks, offenbaren in ihren Schilderungen eine loriotsche Beobachtungsgabe. Zwar sind die Szenen gnadenlos übertrieben und bedienen nahezu jedes Klischee, von der nervtötenden Schwangeren über die affektierte Schickeria bis zum prolligen Bauarbeiter. Andererseits kommen sie einem doch erschreckend bekannt vor: das streitende Ehepaar vor dem Tresen oder der einsame Trinker am Stehtisch in der Ecke.

Bauarbeiter mit seltsamen Trinkritualen. Foto: Schwarze

Unter der Regie von Marius Wetter inszenierte das Team der Bühne das Stück mit temporeichen Szenenwechseln, detailverliebten Kulissen und Darstellern, die Freude an dem kauzigen Milieu hatten. Die Pommesbude war naturgetreu in der Bühnenmitte aufgebaut worden. Im gesamten Bühnen- und Zuschauerbereich hatten die Bühnenausstatter die Atmosphäre außerdem mit Verkehrsschildern angereichert. Eine „Umleitung“ führte zu den Getränke- und Imbissständen, der Hinweis „Polizei“ zum Technikraum.

Drei Nonnen am Grill: Weil sie nicht singen dürfen, erzählen sie sich Nonnenwitze. Foto: Schwarze

Wie an einer Raststätte üblich gaben sich unterschiedlichste Menschen ein Stelldichein. Anders als im wahren Leben passierte das in schrillen Kontrasten. Etwa, wenn Bauarbeiter mit seltsamen Trinkritualen nahtlos von zwei eleganten Paaren abgelöst wurden, die sich betont deplatziert fühlten. Die Damen spielten quasi Autoquartett mit Kulturveranstaltungen. Leider entblößte der pseudointellektuelle Wettkampf – von Vivian Zurstraßen und Kristina Thiemann mit pointierter Zickigkeit geführt – nur die wechselseitige Unkenntnis („Die hatte mal was mit Mozart und seiner Zauberflöte!“).

Zwei angetrunkene weibliche Fußballfans wurden ausgewechselt durch ein blumenkleidgeschmücktes Damentrio auf einem Kreativ-Trommel-Trip ohne Männer. In der Person von Gottfried Forstmann vereinten sich gesellschaftliche Kluften via Doppelbesetzung. In der Rolle von Rentner Kurt auf der Flucht aus dem Altersheim nölte er sich munter und Pommes mampfend durch seniorengerechte Tiraden. Später strotzte er als untreuer Ehemann von Stand vor peinlicher Berührtheit gegenüber seiner offenherzigen Geliebten.

Trotz EM-Spiels sahen mehr als 400 Menschen das Stück „Currywurst mit Pommes“ in der Freilichtbühne Werne. Foto: Schwarze

Bissig wurden verschiedene Familienkonstellationen seziert. Karin und Martin Zurstraßen, Emma Schmucker und Johannes Schwarze lieferten eine höchst lebensechte Darstellung als keifende Familie, in der keine dem anderen das Ketchup auf den „Bömmes“ gönnt. Die „Bause“ auf dem Weg nach Italien wird zum Schlachtfeld. Schmucker und Schwarze jagten sich als streitende Blagen nach Herzenslust über den Rasen, während sich das Elternpaar aus voller Kehle anbrüllte. Die Zuschauenden kamen aus dem Lachen kaum heraus. Komisch-melancholisch erzählte sich die Szene vom Ehemann, der von seiner Gattin an der Raststätte vergessen wird. Ohne Geld, Papiere und Handy wartet er drei Wochen lang auf sie. Endlich taucht sie auf. Darsteller Kai Schriewersmann platzte darauf mit einer so überzeugend leidenschaftlichen Anklage heraus, dass das Publikum spontan mitfühlend applaudierte.

Budenbesitzerin Penny ist die Konstante in dem Sammelsurium von Charakteren. Mit trockener Unerschütterlichkeit und resolutem Mitgefühl servierte Tanja Bergmann Lebensweisheiten und Platons Höhlengleichnis zwischen zwei Bier. „Die haben das wieder supertoll gemacht“, schwärmte ein Zuschauer in der Pause – auf dem Weg zur echten Würstchenbude.

Mehr Bilder von der Freilichtbühnen-Premiere finden Sie in unserer Fotostrecke.

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