Stockum. Ein Stück Ruhrgebietsgeschichte verschwindet: Am kommenden Sonntag, 12. Oktober, wird der 280 Meter hohe Schornstein des Gersteinwerks in Werne Stockum kontrolliert gesprengt. Jahrzehntelang prägte er als weithin sichtbares Bauwerk die Landschaft, nun macht er Platz für die Energiezukunft.
Entstanden ist der Schornstein zwischen 1982 und 1984 zusammen mit Block K, dem damals größten Gas Steinkohle Kombiblock der Welt. Mit einer Bruttoleistung von 791 Megawatt versorgte die Anlage über Jahrzehnte das deutsche Verbundnetz zuverlässig mit Strom. Zur feierlichen Inbetriebnahme im Jahr 1984 war auch der bereits verstorbene Altkanzler Helmut Kohl persönlich angereist – ein Zeichen für die Bedeutung des Projekts.
Bis zur Stilllegung im Jahr 2019 gehörte Block K zu den Leistungsträgern des Gersteinwerks. Der Schornstein aber blieb bestehen, als weithin sichtbares Wahrzeichen und technisches Monument.

Ein Mann, der die Entstehungsgeschichte hautnah miterlebt hat, ist Wolfgang Lünig. Als Bauleiter bei der damaligen VEW verantwortete er den Bau des Blocks und des Schornsteins. Parallel dokumentierte er die Arbeiten mit seiner Kamera – vom Fundament bis zur Vollendung des 280 Meter hohen Bauwerks.

Sein Sohn Christian Lünig bewahrt das Bildarchiv seines verstorbenen Vaters wie einen Schatz auf. Denn das sind diese einzigartigen Bilder in hoher Auflösung. „Das ist schon ein Stück Geschichte, das nun endet. Der Schornstein gehört einfach zum Gersteinwerk“, sagt er. Für ihn und viele andere in der Region ist der bevorstehende Abriss mehr als nur ein technischer Vorgang, es ist ein Abschied mit vielen Erinnerungen.
Die Sprengung ist für 11 Uhr angesetzt. Der Schornstein wird nach Norden kippen, ein 400 Meter Sperrbereich wird ab 8.30 Uhr eingerichtet. Betroffen sind unter anderem die Hammer Straße und die Alte Bockumer Straße, die für den Verkehr gesperrt werden. Aus Sicherheitsgründen gibt es keine Möglichkeit für die Öffentlichkeit, das Ereignis direkt vor Ort zu verfolgen.

RWE wird den Abriss filmisch dokumentieren und die Bilder später zugänglich machen. Damit soll der historische Moment dennoch bewahrt werden.
Mit dem Schornstein verschwindet ein Stück Industriegeschichte des Ruhrgebiets. Doch der Standort lebt weiter. Auf dem Gelände entsteht ein wasserstofffähiges Gas und Dampfkraftwerk, das den Wandel hin zu klimafreundlicher Energieversorgung unterstützt und den Standort fit für die Zukunft macht.