Werne. Worte sind mächtig. Das unterstrich der Schriftsteller Lukas Pellmann am Dienstagabend (11. November 2025) beim „Fest für Frieden und Demokratie“ auf mehr als eine Weise. Zum einen warnte er davor, dass eine abwertende Sprechweise entmenschlicht. Zum anderen sprach seine Vortragsweise für sich: unzweideutig und mit einem mitreißenden Bekenntnis für Frieden und Demokratie. 120 Zuschauer waren begeistert und erhoben sich am Ende für anhaltenden Beifall.
„Im Theater wären das mindestens acht Vorhänge gewesen“, sagte ein sichtlich bewegter Hubertus Waterhues. Als Vorsitzender des Kunstvereins Werne und Inhaber von Bücher Beckmann hatte er zusammen mit seinem Team den Abend organisiert. „Demokratie muss gefeiert werden, auch in kritischen Zeiten wie diesen“, sagte Waterhues. In diesem Sinne bot er seinen Gästen im Foyer des Stadthauses ein kurzweiliges Programm, in dem Menschen aus verschiedenen Aktionsfeldern ihre Perspektiven beisteuerten.
Im Mittelpunkt standen der in Österreich lebende Autor Lukas Pellmann und seine Neuerscheinung „Zwei Tage im Sommer“ – ein Buch, dass ein Schreckensszenario entwirft und versöhnlich endet. Harmonisch begann auch der Abend, mit Beethovens gemeinsam gesungener „Ode an die Freude“. Die Kirchenmusikerin Dagmar Wensing stimmte die Europahymne an und alle sangen mit. „Es ist völlig richtig, heute ein Fest zu feiern“, sagte der frisch ins Amt gewählte Bürgermeister Lars Hübchen. „Oft streiten wir in der Demokratie, wir meckern und ringen. Und uns muss immer wieder bewusst sein: Am Ende ist es ein Geschenk, dass wir das dürfen.“

Waterhues selbst stimmte als Germanist mit Gedichten auf den Abend ein: „Was uns Menschen zu Menschen macht, ist Sprache – nicht eine, sondern die Sprache als Sprache. Und wir müssen uns darüber klar sein, dass wir Zugang zur Welt nur durch die Reflexion der Sprache haben.“ Frieden beginnt im Kleinen. Das machten Rebecca und Sophie Gutzat deutlich. Als Mutter und Tochter vertraten sie zwei Generationen, als Mitbegründerin und Ehrenamtliche im Verein „Alle gemeinsam, keiner einsam“ stehen sie ständig im Kontakt mit älteren Menschen. „Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der niemand ausgeschlossen wird, in der Vielfalt Stärke bedeutet“, betonte Sophie Gutzat.

Die Historikerin Anke Schwarze führte am Beispiel des mal deutschen, mal französischen Elsass die Rechtfertigung von Gebietsansprüchen ad absurdum. „Grenzverschiebungen gab es zu jeder Zeit, und jeder Rückgriff auf alte Herrschaftsverhältnisse ist willkürlich“, sagte sie. Wer das tue, mache aus Spielwiesen der Macht neue Schlachtfelder. Dann tauchte eine Figur aus Pellmanns Roman hinter dem Mikrofon auf. Mit tränenerstickter Stimme erzählte sie, wie ihre Eltern beim Angriff Ungarns auf das Burgenland umgekommen seien. Der Autor war ebenso beeindruckt wie das Publikum – und dankte Sophia Waterhues, die den Part so überzeugend dargestellt hatte.

Der Roman „Zwei Tage im Sommer“ spielt auf zwei Zeitebenen, die beide in der Zukunft liegen. Auf der einen versucht Ungarn, das Burgenland zurückzuerobern, das in einer längst zurückliegenden Vergangenheit einmal Teil eines ungarischen Königreichs war. Die andere liegt noch weiter in der Zukunft; hier erinnert sich Nicola kommentierend daran, wie sie als deutsches Kind von einem ungarischen Soldaten gerettet wurde. Das Szenario ist nur auf den ersten Blick eine geschickte Parabel für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. In seiner kommentierten Lesung erklärte Pellmann, wie tief derartige Großmachtfantasien in bestimmten Bevölkerungsschichten Ungarns verhaftet sind. Regierungschef Viktor Orbán schüre diese Stimmung bewusst, wenn er bei einem Fußballspiel mit einem Fan-Schal posiere, der das einstige ungarische Großreich zeigt.

Fast noch gefährlicher sei es, wenn Orbán seine Gegner und Aktivisten als „Wanzen“ bezeichnete. „Was machen Sie mit einer Wanze?“, frage Pellmann provokant. „Bitten Sie die freundlich aus der Wohnung?“ In seinem Buch hat Europa am Ende aus dem Krieg gelernt, dass Frieden nur zusammen gelingt, nicht gegeneinander. Seinen Appell verband Lukas Pellmann mit einer optimistischen Beobachtung: „Jeder und jede können bei sich vor Ort damit anfangen, Demokratie zu leben.“






















