Werne. Über 80 Suchende interessierten sich am 20. April in der Stadtbücherei für die Premiere einer neuen Literaturgattung: das Smartphone-Reiseromänchen, erfunden vom Sprachkünstler und Humoristen aus Werne: Christian Huppert.
Sein Werk entstand vor und während einer fünfzehntägigen Herbstreise: „Einfingrig zittrig getippt ins Smartphone an Originalschauplätzen, Fotos vor Ort scharf geschossen mit demselben multifunktionalen Taschentelefon.“ – knapp, live und authentisch ungeschönt über das „Unkraut auf Rügen“, erschienen im Ventura-Verlag.
Der bereits mit drei Büchern und vielen Lesungen in Erscheinung getretene Autor wurde zunächst von seinem Verleger Magnus See launig als Wortakrobat vorgestellt, auf dessen Konto Sprachschöpfungen wie „sirupsämiges Gesuppe“ aus längst vergriffenen Frühwerken gehen. Unterstützt wurde er im perfekten Zusammenspiel vom Jazz-Musiker Claudius Reimann mit seinem Saxofon, der diesem Instrument überraschende Töne wie von einer Dampflok oder dank eines sogenannten Looper orchestrale Klänge entlocken konnte.

Vorsichtshalber begann der Reiseberichterstatter mit zwei Warnungen: Dies ist kein Reiseführer und es gibt keine Verdächtigten; es gibt noch nicht einmal Tote! Dann ging es für das Publikum mit einem Wasserfall an merkwürdigen Fotos und humoristischen Episoden los: kleine Katastrophen des Alltags, überraschende Assoziationen, irritierende Begegnungen mit den Eingeborenen und den touristischen Sehenswürdigkeiten. Letztendlich reift beim scharfen Beobachter die Erkenntnis, dass sein Buch wohl auf Rügen keine Käufer finden wird, denn sein Fazit lautet: „Fast keine Zivilisation. Wildes Eiland. Tosendes Meer, brausender Duschkopf, nachhaltiger Fischanbau, gefährlicher Sanddornfang, verlassene Ureinwohner – Rügen.“

Die Zuschauer erweiterten nebenbei ihr Wissen um regionale Verkehrsmittel wie Uns lütt Bahn, den Rasenden Roland und die MS Adler-Mönchgut, die viereinhalb Kilometer lange Nazi-Ferienanlage Prora samt dem skurrilen KulturKunstStatt Museum für Zeitgeschichte und dem vorgeblichen Wiener Caféhaus Silberreiher. Natürlich darf der berühmte Königsstuhl nicht fehlen. Huppert gibt einen wertvollen Tipp: auf der benachbarten Viktoriasicht hat man eine exzellente Sicht auf den Kreidefelsen, muss aber dafür nichts bezahlen.
Dank der gelungenen Dramaturgie des Dreigestirns Christian Huppert, Claudius Reimann und Magnus See verlangte das begeisterte Publikum am Ende noch weitere Zugaben und wurde mit einem Kurzroman sowie den Münsterländer Ruhrgebietsdialogen belohnt.
Der Erfolg ist nicht zuletzt auch dem Stadtbücherei-Team um Gerlinde Schürkmann zu verdanken, die im Kaminzimmer in erprobter Weise ausreichend Platz für die hohe Besucherzahl bereitstellte. Der Förderverein sorgte mit seinen Getränken für das flüssige Wohl der Gäste.