Werne. Mitten im Konzert verteilten sich die Sängerinnen und Sänger des Jugendkonzertchors der Chorakademie Dortmund entlang der Seitenschiffe in St. Christophorus.
Behutsam entfaltete sich die erste Zeile des Bach-Chorals „Komm, süßer Tod“. Die Stimmen verdichteten sich zu Klangwolken, die durch den Raum schwebten, als hätten sie keinen irdischen Ursprung mehr. Auf diese und andere Weise lotete der Chor in seinem Konzert „Heavenly Songs“ die akustischen Möglichkeiten der gotischen Hallenkirche voll aus.
Das A-capella-Ensemble aus Europas größter Singschule gastierte am Sonntag (23. Juni 2024) auf Einladung der Stiftung Musica Sacra Westfalica in Wernes historischer Pfarrkirche. Mehr als 150 Zuhörerinnen und Zuhörer – darunter auch viele im Alter der jungen Sänger – hatten sich eingefunden. „Was beweist, dass man auch an einem Tag, an dem Deutschland spielt, ein Konzert veranstalten kann“, scherzte Chorleiter Felix Heitmann. Auf dem Programm standen viele nordeuropäische Komponisten des 20. Jahrhunderts.
So stammten die Klangwolken zum Bach-Choral aus der Feder des Norwegers Knut Nystedt. „Immortal Bach“ nannte er seine Hommage an seinen Kollegen aus der Barockzeit. Die flirrend meditative Interpretation begeisterte das Publikum so sehr, dass spontaner Applaus in der Luft lag. Nur mühsam verkniff man sich das Händeklatschen, der Bitte nachkommend, die Heitmann vor Beginn des Konzerts geäußert hatte. „Die Stille zwischen den Stücken ist wesentlich beim A-capella-Gesang“, hatte er erklärt.

Wesentlich auch für den andachtsvollen Grundton des Konzerts. Die vorgetragenen Lieder erzählten von Trauer und Trost, kündeten von Hoffnung und Verheißung. Egal, ob die Stücke aus der Renaissance oder der Moderne stammten: Im Zusammenklang entstand eine Atmosphäre, in die die Zuhörenden eintauchen konnten. In diesem Sinne rahmten zwei deutsche Romantiker das Programm: Felix Mendelssohn-Bartholdy mit „Abschied vom Walde“ und Johannes Brahms mit „Waldesnacht“. Der Jugendkonzertchor ließ lautmalende Bilder von satter Dunkelheit, hellem Mondlicht, schwebendem Nebel entstehen.
Die jungen Sängerinnen und Sänger bestachen durch prägnante Dynamik und modulierte Tempi, die das Besinnliche nie betulich wirken ließen. Das dänische Lied „Stemning“ von Wilhelm Peterson-Berger blühte wie aus dem Nichts auf. Auf dem Höhepunkt des Crescendos stiegen die Sopranstimmen noch weiter empor, entfaltete sich eine ätherische Klangschönheit über den bodenständigen Bass- und Mittelstimmen. Das „Salve Regina“ von Rolf Lukowsky wiederum eröffneten die Bässe mit mächtigem Forte. Souverän verwob das Ensemble die Melodielinien, hielt bei ausklingenden Tönen die Spannung.

So auch bei zwei Werken von Albert Becker: „Bleibe, Abend will es werden“ und „Lobet den Herrn, alle Heiden“. Die schlanke Unverbrauchtheit der jungen Stimmen verhinderte, dass die Lieder in einer zu satten Romantik ertranken. Mit feiner Durchhörbarkeit wurden feierliche Renaissance-Werke von Hans Leo Haßler und Tomás Luis de Victoria interpretiert. Das Forte war nachdrücklich, niemals niederschmetternd, das Piano packend. Am Schluss brach sich der zurückgehaltene Applaus endlich Bahn. Und der Jugendkonzertchor stellte mit der schmissigen Zugabe eines afrikanischen Liedes seine Vielseitigkeit unter Beweis.