Werne. In atemberaubendem Tempo jagt Konstantin Reinfeld durch die Triller und Tonsprünge der Flötensonate in g-moll von Johann Sebastian Bach. Glockenhelle Spitztöne flirren neben dunkleren Klangfarben. Anstelle des länglichen Blasinstrument hält der Musiker allerdings eines, das quer zum Mund liegt: Mundharmonika statt Querflöte.
Dem Publikum im ausverkauften Foyer der Marga-Spiegel-Schule entlockt gleich das erste Stück auf dem Konzertprogramm ein überraschtes und beifälliges Raunen.
Das ungewöhnliche Duo – Mundharmonika und Klavier (Benyamin Nuss) – überzeugte beim Konzert der Musikfreunde Werne am Donnerstagabend (9. Oktober 2025).

Filmmusik und Klassik
Bachs Sonate und sein „Siciliano“ ließen einen Hauch Klassik durch den Raum wehen. Ansonsten folgten Konstantin Reinfeld und Benyamin Nuss ihrer Vorliebe für Filmmusik, Jazz und lateinamerikanischen Rhythmen. Andrzej Korzynskis „Mann aus Eisen“ flimmerte vor den Ohren der Zuhörerinnen und Zuhörer über eine geistige Leinwand. Langgezogene Töne auf der Mundharmonika erinnerten in ihrer klagenden Einsamkeit an das wohl berühmteste Solo dieses Instruments aus der Filmgeschichte, an das Intro von „Spiel mir das Lied vom Tod“. Doch diese Melodie setzte sich lyrischer fort, die Mundharmonika sinnierte und vibrierte, das Piano perlte. Behutsam tupfte Nuss die Töne hin, bevor er satte Akkorde ausbreitete – ein warmer Teppich für die Spielweise von Reinfeld.

Das „Petite Pièce“ war eine Eigenkomposition von Nuss. Dieses Mal entlockte Reinfeld seiner Mundharmonika Töne, die an ein Fagott erinnerte. In virtuoser technischer Spielweise schien er sein Instrument mit den Lippen zu kauen. Nuss reagierte abwechslungsreich, mit schwellender Modulation, pikanten Einwürfen und mächtigen Akkorden. In seiner Anmutung changierte dieses kleine Stück zwischen modernen und klassischen Elemente. Dem gehörigen Kontrast zwischen den beiden Instrumenten kam das zugute. Das Klavier zeichnete mit klaren, feinen Linien, die Mundharmonika klangmalte mit satten, reichhaltigen Pinselstrichen.
Virtuose Spielweise
Jeder der beiden Musiker hatte einen Solopart, der diese Eigenschaften noch einmal herausstrich. Nuss nahm das Publikum mit auf einen Spaziergang durch eine japanische Stadt. Aus dem erzählenden Duktus hörte man seine Vorliebe für Filmmusik heraus, zwischen sachten Wogen, Innehalten und flüchtigen Momenten. Reinfelds Solo hörte sich an wie das lautmalende Bild einer Ragtime-Band, inklusive Banjo und Perkussion. Dazu tippte der eine oder die andere im Publikum die Füße im Takt. Ausdrucksstarke Blue-Notes erreichte der Solist, indem er einen Ton durch eine Änderung des Ansatzes herunterzog.

Die jazzigen und lateinamerikanischen Kompositionen in der zweiten Hälfte des Konzerts gaben dem Duo Gelegenheit zu improvisieren und virtuose Interpretationen zu demonstrieren. Da sprang die Mundharmonika in harten Rhythmen von Ton zu Ton („500 Miles High“, von Chick Corea), hörte man quasi den Wind durchs Pampasgras zittern („Oblivion“, von Astor Piazzolla). Nuss erdete die Höhenflüge, schattierte, um Tiefe zu verleihen. Das Publikum klatschte begeistert, hier und dort war ein gemurmeltes „Bravourös“ zu hören.