Mittwoch, Mai 15, 2024

„Gewalt gegen Frauen“ hat viele Gesichter

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Werne/Kreis Unna. Vor einigen Wochen wurde in Hamm nahe der Stadtgrenze zu Werne-Stockum der Leichnam einer jungen Frau entdeckt. Es handelte sich um eine 17-jährige Schülerin aus Iserlohn, die seit Tagen als vermisst galt. Sie war von einem Spaziergang mit ihrem Hund nicht mehr zu ihrem Elternhaus zurückgekehrt. Am Auffindeort und am Körper der Toten fanden sich Brandspuren. Der 26-jährige Ex-Freund der Schülerin wurde tags darauf verhaftet und kam unter dringendem Tatverdacht in Untersuchungshaft.

Frauenmord wird als „Femizid“ bezeichnet, wenn es sich laut internationaler Definition der Weltgesundheitsorganisation um „die vorsätzliche Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist“ handelt. Unabhängig davon, wie die juristische Bewertung des Falles ausfallen werden wird, sind Femizide bundesweit alles andere als Einzelfälle.

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„Jede Woche werden in Deutschland etwa drei Frauen von ihrem aktuellen oder früheren Partner getötet, im Jahr 2020 waren es 139. Mehr als ein Mal pro Stunde wird in Deutschland eine Frau durch ihre Partner gefährlich körperlich verletzt“, zitiert Monika Eichmanns, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Werne, die Quelle www.frauen-gegen-gewalt.de, als sie im Gespräch mit WERNEplus zusammen mit Ute Hellmann das Thema „Gewalt gegen Frauen“ beleuchtet.

Für die Kriminalkommissarin, die seit 1. März 2022 neue Opferschutzbeauftragte der Kreispolizeibehörde Unna ist, zählen Fälle von Gewalt gegen Frauen zum Berufsalltag: „Ich habe täglich mehrere Opferschutzgespräche“, schildert sie. Wenn die Polizei in Fällen häuslicher Gewalt eingreifen muss, tritt sie als Opferschutzbeauftragte mit den Betroffenen in Kontakt und vermittelt zu Beratungsstellen und Hilfsangeboten weiter.

Die Polizei kann gegen gewalttätige Täter Wohnungsverweise (10 Tage) inklusive Rückkehrverbot aussprechen, das von den Beamten überprüft wird. Gegebenenfalls kann gegen den Täter auch ein Näherungsverbot für die Betroffene und ihre Kinder verhängt werden. Die Polizei stelle zudem bei häuslicher Gewalt immer eine Strafanzeige, betont Ute Hellmann.

„In solchen Fällen geht es explizit nicht um Eifersucht und Verzweiflung, sondern um den Hass auf die Frau aufgrund ihres Geschlechts.“

Kriminalkommissarin Ute Hellmann zum „Femizid“

Wenn Männer Frauen töten, sei das Motiv fast immer die Trennungsabsicht der Frau oder eine bereits erfolgte Trennung, welche der Ex-Partner nicht akzeptieren wolle, informiert dazu Beratungsportal zur Kriminalprävention der Polizei. „Es geht bei Femiziden grundlegend um den angeblichen Besitzanspruch des Mannes über die Frau. In solchen Fällen geht es explizit nicht um Eifersucht und Verzweiflung, sondern um den Hass auf die Frau aufgrund ihres Geschlechts“.

Wichtig deshalb: Femizide auch als solche zu benennen. Denn es handelt sich eben nicht, wie oft so bezeichnet, um ein „Familiendrama“ oder eine „Beziehungstat“.

„Gewalt gegen Frauen“  hat viele Gesichter, berichten die Gleichstellungsbeauftragte und die Kriminalkommissarin über Formen der häuslichen, der sexualisierten und der digitalen Gewalt. Hinzu komme „Gewalt im Namen der Ehre“. Doch auch Männer werden Opfer, wenn auch in ungleich geringerem Maße. Und Präventionsangebote für Männer und Jungen bietet z.B. der Verein „Die Brücke Dortmund“.

Häusliche Gewalt: Gewalttaten zwischen Menschen in häuslicher Gemeinschaft (z.B. Ehe, Lebenspartnerschaft oder intime Beziehungen). Körperliche Gewalt ist nur eine Facette eines komplexen Verhaltensmusters, das auf Macht und Kontrolle zielt. Zugleich sind Betroffene psychischer Gewalt wie Demütigen, Drohungen, Einschüchterungen, sozialer Isolation oder wirtschaftlichem Druck durch den Täter oder Täterin ausgesetzt.

Sexualisierte Gewalt: Übergriffe auf die sexuelle Selbstbestimmung. Die Täter zwingen den Betroffenen ihren Willen auf. Es geht also nicht um Lust oder Erotik, sondern um Machtverhalten. Gezielte Abwertung von Menschen durch sexuelle Handlungen oder Kommunikation. Nicht nur körperliche Übergriffe (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexueller Missbrauch) auch jede Form unerwünschter sexueller Kommunikation (obszöne Worte und Gesten, aufdringliche und unangenehme Blicke, Zeigen und Zusenden sexueller Inhalte) gehören dazu.

Digitale Gewalt: Angriffe im Internet – per Chat, E-Mail oder in sozialen Netzwerken. Den Tatpersonen geht es zumeist darum, die ausgewählte Person zu ängstigen oder zum Schweigen zu bringen (Herabsetzung, Rufschädigung, Isolieren, Nötigung zu bestimmten Verhalten, Erpressung). Dafür nutzen sie das Internet oder verschaffen sich zum Beispiel direkt Zugang zum Mobiltelefon oder Computer des Opfers. Digitale und analoge Gewalt gehören eng zusammen. Schutzeinrichtungen berichten, dass sich Stalking oder häusliche Gewalt fast immer auch über Messenger, E-Mails oder soziale Medien vollzieht. Denn digitale Medien schaffen für Gewalt völlig neue Räume.

Gewalt im Namen der „Ehre“: Kommt besonders in patriarchalischen und abgeschotteten Familienstrukturen vor. Frauen gelten als Besitz. Die „Ehre“ der Männer hängt vom „richtigen“ Verhalten der Mädchen und Frauen ab. Seinen symbolischen Ausdruck findet dies in der Kontrolle des weiblichen Körpers und der weiblichen Sexualität. Neben emotionalem Druck und Erpressung gibt es Formen von körperlicher und sexualisierter Gewalt bis hin zu Zwangsverheiratungen und Mord. Auch Männer, die sich nicht an traditionelle Rollenzuschreibungen gebunden fühlen oder homosexuell sind, werden Opfer von „Ehrenmorden“.

(Quelle Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: www.bmfsfj.de)

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