Werne. Wenn sich in den nächsten Tagen wieder die Karussells auf der Kirmes drehen, wird ein Mann fehlen, der das Volksfest in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt hat. Vor allem die Schausteller, die Jahr für Jahr in die Stadt kommen, werden ihn schmerzlich vermissen: Rainer Schulz.
„Mister Sim-Jü“, wie er aufgrund seines großen Engagements genannt wurde, starb am 6. Dezember vergangenen Jahres im Alter von 79 Jahren. Schon von seiner schweren Krankheit gezeichnet, erlebte er wenige Wochen vor seinem Tod sein letztes Sim-Jü. Wie gewohnt war er an den Vorbereitungen der Kirmes beteiligt und organisierte auch das Benefiz-Fußballspiel, das auf seine Initiative ins Leben gerufen wurde und sein 50. Jubiläum feierte. Dieses Spiel ist ein Ausdruck der engen Verbundenheit zwischen den Schaustellern und der Stadt. Rainer Schulz war das Bindeglied.
Bürgermeister Lothar Christ würdigte in einem Nachruf das ehrenamtliche Engagement von Rainer Schulz und hob die Hartnäckigkeit hervor, mit der er sich für das Traditionsfest einsetzte. „Gleichermaßen kompetent wie meinungsstark warb er in den jeweiligen Gremien und Ausschüssen stets und ausdauernd dafür, den unvergleichlichen und familienfreundlichen Volksfestcharakter dieser größten Kirmes an der Lippe zu bewahren – sowohl durch eine entsprechende Auswahl an Fahrgeschäften als auch mit Blick auf die Beschicker, die teilweise seit Jahrzehnten unsere Stadt besuchen. Aus dieser Idee heraus wurde vor 50 Jahren das Otto-Wendler-Benefiz-Fußballspiel geboren: Im Rahmen eines traditionellen Fußballspieles treffen sich seit 1973 am Freitag vor Kirmesbeginn die beiden Mannschaften der Sim-Jü-Schausteller und der heimischen Bürgerschaft, um einerseits die Gemeinschaft und das Miteinander zu fördern und andererseits Spenden für soziale Zwecke einzuspielen.“

Das Sim-Jü-Gen war Rainer Schulz in die Wiege gelegt. Aufgewachsen an der Lünener Straße, wenige Meter vom Kirmesplatz entfernt, bekam er schon als Kind Kontakt zu den Schaustellern, die ihre Wohnwagen in der Nachbarschaft aufgestellt hatten. Und den Aufbau der Fahrgeschäfte erlebte er hautnah mit. So entstanden Freundschaften zu den Schaustellerfamilien, die er über Jahrzehnte pflegte.
Rainer Schulz, der beruflich bei der Stadtsparkasse Werner beschäftigt war, entwickelte sich zu einem Kirmes-Experten, dessen Sachverstand nicht nur in Werne gefragt war. Für die Schausteller-Zeitung Komet schrieb „Mister Sim-Jü“ regelmäßig Fachbeiträge. Seine Kenntnisse über die Geschichte der Werner Kirmes fasste er in einem Sim-Jü-Buch zum 625. Jubiläum des Volksfestes zusammen.
Sein Archiv im Arbeitszimmer seines Wohnhauses wuchs im Laufe der Zeit zu einer unerschöpflichen Schatzkammer heran, in der sich auch die örtlichen Tageszeitungen bedienten. Viele Anekdoten über die Kirmes, aber auch über Werner Poahlbürger und Originale, fanden so den Weg in die Öffentlichkeit.
Zur Beisetzung von „Mister Sim-Jü“ erschienen so viele Gäste, dass die Klosterkirche nicht ausreichte und viele draußen vor der Tür an der Trauerfeier teilnahmen. Die Schausteller erwiesen ihrem Freund mit einem musikalischen Gruß die letzte Ehre: Die historische Kirmesorgel spielte auf, die Schulz besonders ins Herz geschlossen hatte.

Tröstlich, dass er das Sim-Jü-Gen vererbt hat. Tochter Helle und Ehefrau Kirsten pflegen die engen Kontakte zu den befreundeten Schaustellerfamilien weiter und organisieren in diesem Jahr erstmals ohne ihn das traditionelle Fußballspiel. So wird Sim-Jü auch 2024 ganz in seinem Sinne gefeiert.
Zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung des Autors dieser Zeilen, der dem Verstorbenen viele Jahrzehnte beruflich und privat verbunden war: Ich sehe Rainer Schulz gemeinsam mit seinen langjährigen Freunden Picki Petter und Otto Wendler auf einer Wolke sitzen, im Hintergrund spielt leise die Kirmesorgel. Und mit einem Lächeln blicken die drei Weggefährten auf Sim-Jü in Werne herab. Daumen hoch, es läuft.