Werne. Seit rund 100 Tagen ist im Karl-Pollender-Stadtmuseum der neue Bürgerraum eröffnet. In dem völlig neu gestalteten Raum steht der Austausch über die Vergangenheit und Gegenwart der Stadt im Mittelpunkt. WERNEplus hat sich von Museumsleiterin Dr. Constanze Döhrer durch das neue Schmuckstück des Museums führen lassen.
Wichtig beim Betreten des Raumes ist, dass es keinen festgelegten Ablauf für die Entdeckungsreise durch die Geschichte der Lippestadt gibt. „Man muss nicht in einer bestimmten Richtung rumgehen“, sagt die Museumsleiterin, während sie auf den ersten von insgesamt fünf Thementischen zugeht. Hier finden Interessenten Beschreibungen zu den Objekten, die dort zu sehen sind. „Die Themen sind flexibel, das bedeutet, ich kann jeden einzelnen Kubus abschrauben und den Inhalt gegen ein ganz anderes Thema austauschen. Wir haben also keinen festen Rundgang und keinen festen Inhalt.“
Der Raum zeigt, dass die Entwicklung der Stadt von einer kleinen Siedlung zu einer richtigen Stadt eng verbunden ist mit der Geschichte der Bürgerinnen und Bürger. Deren Rolle spielt daher eine große Rolle. „Sie haben nicht nur in der Stadt gelebt, sondern hatten auch Pflichten, beispielsweise wie die Verteidigung, das Bilden von Löschketten und nicht zuletzt haben sie sich ein eigenes Rathaus gebaut“, so Döhrer. Die ausgestellten Objekte erzählen davon, wie sie ihre Stadt organisierten, weiterentwickelten und schützten.
Als „Einstieg“ sind auf einem der Tische aktuell die Urkunden und die erste Nennung von Werne ausgestellt. „Wir haben eine schöne und große Sammlung aus der Entstehungszeit, aber wenn man nicht alles auf einmal sieht, kann man die einzelnen Stücke mehr genießen“, meint Döhrer. Für Abwechslung wird also auch zukünftig gesorgt sein. Lediglich zwei Säulen sind fest im Bürgerraum installiert. Der Wappenstein des Rathauses von 1561 gehört dazu. Der ist im Museum schon vorher zu bewundern gewesen. „Der ist aber oft nicht wahrgenommen worden, was echt schade ist, denn für das Alter ist der Zustand sehr gut.“
Auf der anderen Seite des Raums hat die Halbrüstung aus dem 17. Jahrhundert einen festen Platz gefunden. Diese ist ebenfalls ein Klassiker der früheren Ausstellung, die jetzt aber außerhalb der Reichweite von Kindern angebracht ist, die wegen der Faszination, die die Rüstung ausstrahlt, oftmals einen etwas zu direkten Kontakt zum historischen Objekt gesucht haben. Auf den Tischen ausgestellt sind unter anderem ein Bürgerbuch, in dem die Namen der Bewohner aus mehreren Jahrhunderten handgeschrieben verewigt sind. Um das Originalbuch zu schonen, können die Besucher sich durch einige kopierte Seiten blättern, um einen Eindruck von dem Werk zu erhalten. „Ich habe ohnehin einen tollen Job, aber wenn man in einem ein paar Jahrhunderte alten Buch blättern kann, ist das schon etwas besonders“, umschreibt Döhrer. Auch die damalige Stadtkasse ist zu sehen. „Es gab sogar eine Phase in der Geschichte, als Werne total pleite war und dann selbst Münzen prägen durfte.“ Drei Schritte weiter erfahren die Besucher mehr über die damalige Infrastruktur. „Werne war damals schon ein Verkehrsknotenpunkt, das war wichtig, um Stadtrechte zu erwerben und Handel zu treiben.“
Ergänzend zur Geschichte auf den Tischen gibt es im Bürgerraum drei an der Wand hängende Bildschirme. Die Bedienung ist simpel: Einfach den „Duschkopf“ ans Ohr halten und hören, was Menschen aus Werne über das Leben in ihrer Stadt zu sagen haben. „Wir wollen einen Gegenwartsbezug zu den ausgestellten Objekten herstellen, der sich auch erschließt, wenn man kein Historiker ist“, sagt Döhrer. Noch im Herbst wird die Anzahl der kurzen Interview-Filme durch weitere Beiträge erweitert.
Ein moderner Multitouch-Tisch bietet weitere Informationen. Mit Wisch-Bewegungen über einen Stadtplan von Werne im Mittelalter lässt sich über bestimmte Orte mehr erfahren. Auch hier ist Input der Besucher erwünscht. „Wenn die etwas über Orte wissen, die hier noch nicht eingepflegt sind, können wir das gern nachholen, sodass dieses Angebot stetig wachsen kann“, sagt die Historikerin. Über eine Zeitleiste ist es zudem möglich, sich über andere Bereiche wie den Bergbau oder archäologische Funde in der Stadt kundig zu machen. Schließlich fehlt eine aktuelle 3D-Ansicht der Stadt ebenso wenig wie eine Verknüpfung zur Homepage der Stadt Werne.
Mit der Verbindung von Historie und modernen Medien ist die durch die Stiftung der Sparkasse an der Lippe und dem Förderverein des Stadtmuseums ermöglichte Präsentation auch für den Besuch von Schülern geeignet. „Gerade dann, wenn im fünften und sechsten Jahrgang über Mittelalter und Stadtgeschichte geredet wird“, ist Döhrer überzeugt. Selbst Grundschüler können auf ihre Kosten kommen, dann wird der Ausflug in die Geschichte noch mit Bastel- und Spielaktionen verknüpft. Wird die Klasse für den Besuch im Museum in zwei Gruppen unterteilt, ist auch ein Besuch unter Corona-Bedingungen realisierbar.
Die Museumsreportage lesen Sie auch in der Oktober-Ausgabe unserer gedruckten Zeitung – erhältlich an vielen öffentlichen Stellen in Werne, u.a. im Bauhaus 1929 an der Steinstraße 14.