Sonntag, Oktober 6, 2024

Lothar Christ: „Es ist gut, wenn es zum Bürgerentscheid kommt“

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Werne. In der öffentlichen Diskussion über den Gewerbestandort Nordlippestraße meldet sich jetzt auch Bürgermeister Lothar Christ zu Wort. Der Verwaltungschef hat großes Verständnis für den Protest der Bürger gegen das Projekt, will aber weiter an den Planungen des Industrie- und Gewerbegebietes festhalten. Das angestrebte Bürgerbegehren findet seine Unterstützung. Das schreibt Christ in einer umfangreichen Stellungnahme.

„In einer Demokratie ist es richtig und wichtig, das bedeutende Entscheidungen kontrovers diskutiert werden. So auch die Entscheidung für das geplante Gewerbegebiet nördlich der Nordlippestraße“, schreibt der Bürgermeister. Schließlich seien sowohl die positiven Entwicklungschancen, die mit einer weiteren gewerblichen Entwicklung verbunden sind, bedeutsam, als auch die gewichtigen Aspekte des Klima-, Umwelt- und Naturschutzes, die gleichermaßen zu berücksichtigen seien.

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Dementsprechend habe er auch großes Verständnis für den Protest einiger Bürger. Dennoch sei der mehrheitliche Beschluss des Ausschusses für Stadtentwicklung, Planung und Wirtschaftsförderung, in ein solches Planverfahren einzusteigen, absolut richtig und nachvollziehbar.

Das aus gutem Grund, wie Christ meint: In erster Linie sei die Ansiedlung neuer Betriebe wirtschaftlich notwendig, um in Werne aktiv neue Arbeitsplätze zu schaffen und den guten Bestand an Arbeitsplätzen zu sichern. Mit Hilfe der neuen Gewerbeansiedlung steuere die Stadt dieser Gefahr bewusst entgegen und verspreche sich von den damit einhergehenden Entwicklungschancen, dass Werne lebens- und arbeitswert bleibe sowie dank der Einnahmen nochmals vermehrt an Attraktivität gewinne.

Die aktuell bestehenden Gewerbeflächen nehmen laut Christ weniger als fünf Prozent  der versiegelten Fläche in Werne ein, machen aber rund 70 Prozent der städtischen Einnahmen aus. „Einnahmen, mit denen die Stadt unter anderem auch aktiv wichtige Klima- und Umweltschutzprojekte finanziert“, schreibt der Verwaltungschef.

Aber warum greift man für die Ansiedlung neuer Betriebe nicht auf bereits bestehende Flächen zurück, wie es in der öffentlichen Diskussion angeregt wird?  Christ gibt die Antwort: In Werne seien nahezu alle bestehenden Gewerbeflächen veräußert und keine Brachflächen verfügbar. Das gelte auch für das Gelände des Gersteinwerks, weil dort noch notwendige Gasverstromung für den Energiemarkt stattfinde und es außerdem der Kapazitätsreserve für die Netzstabilität in Deutschland diene. Da sich im Werner Süden ein Naturschutzgebiet befinde und im Osten der Regionalplan einem solchen Vorhaben entgegenstehe, gebe es zum neuen Standort auch keine Alternative. „Die Verwaltung möchte an dieser Stelle jedoch noch einmal deutlich machen, dass die Fläche südlich der Nordlippestraße nicht Bestandteil des eingeleiteten Bauleitplanverfahrens für das neue Gewerbegebiet ist“, betont der Bürgermeister, dass das Erholungsgebiet am Grünen Winkel nicht angetastet werden soll.

Gleichwohl sei sich Bürgermeister Christ der Bedenken im Sinne des Klima- und Umweltschutzes bewusst, heißt es in der Stellungnahme. Unstreitig stelle das geplante Gewerbegebiet einen Eingriff in Natur und Umwelt dar. Wie stark der Eingriff jedoch sei, hänge maßgeblich von der Art der in diesem Fall intensiv bewirtschafteten Fläche ab. Die Stadt werde deshalb den Klima- und Umweltschutz bei den planerischen und baulichen Maßnahmen des neuen Gewerbegebiets in hohem Maße berücksichtigen müssen. Anders als von Kritikern in den Raum gestellt, bedeute der Kooperationsstandort darüber hinaus nicht, dass das Planverfahren oder die Entscheidung, welche Unternehmen sich im Gewerbegebiet ansiedeln, nicht in der Hand der Stadt Werne liegen. Sicher sei aber auch, dass mit der Entstehung neuer Gewerbeflächen der Anteil des versiegelten Stadtgebiets steige.

„Unabhängig vom Ausgang hat diese wichtige Entscheidung für die weitere Entwicklung von Werne damit die größtmögliche Legitimation.“

Bürgermeister Lothar Christ zu einem möglichen Bürgerentscheid.

Die Vermeidung eines übermäßigen Flächenfraßes sei jedoch nicht nur in Werne, sondern deutschlandweit ein Thema, und habe zu einer vom Bundeskabinett festgelegten Nachhaltigkeitsstrategie geführt. Demnach soll der Flächenverbrauch in Deutschland durch gezielte Steuerung über die Landes- und Regionalplanung bis 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag reduziert werden. Damit dieses Ziel erreicht wird, würden neue Gewerbe- und Wohnflächenbedarfe nur sehr restriktiv zugesprochen. „Mit einem neuen Gewerbegebiet, wie an der Nordlippestraße geplant, bewegen wir uns im Rahmen dieses Kontingentes und damit auch im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie,“ erklärt der Bürgermeister. Außerdem müsse man entsprechend hohe Klima- und Umweltmaßstäbe ansetzten: „Eine Schwerindustrie mit hohen, rauchenden Schornsteinen wollen wir daher auch in Zukunft nicht haben.“

Einem möglichen Bürgerbegehren sieht Bürgermeister Lothar Christ positiv entgegen: „Es ist gut, wenn es zum Bürgerentscheid kommt. Unabhängig vom Ausgang hat diese wichtige Entscheidung für die weitere Entwicklung von Werne damit die größtmögliche Legitimation.“ Gleichwohl möchte der Bürgermeister möglichst zeitnah in einen intensiven Dialog mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens treten und der Öffentlichkeit für die Beantwortung aufgeworfener Fragen rund um das Thema Gewerbegebiet zur Verfügung stehen.

Vorab gibt Bürgermeister Christ aber zu bedenken: „Wenn alle 11.000 Kommunen in Deutschland jetzt sagen: Wir geben der gewerblichen Wirtschaft keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr, dann wird unser Land weder wirtschaftlich funktionieren noch eine führende Rolle im Klimaschutz übernehmen. Stattdessen sollten wir in Deutschland und auch hier in Werne zeigen, wie man klug mit diesem scheinbaren Widerspruch umgeht und ein nachhaltiges an Zielen des Klima- und Umweltschutzes orientiertes Gewerbegebiet plant und entwickelt.“

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2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Christ,

    dass Sie sich nochmals zum Industrie- und Gewerbegebiet positioniert haben, kann man nur begrüßen. Dass nun auch die Fraktionen aus ihrer Deckung hervorkommen und den offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern anbieten, ebenfalls.
    Spitze Pfeile, wenn auch mit Verständnis, in Richtung derer zu schießen, die sich gegen ein solches Vorhaben formieren, ist absolut legitim. Wenn man bei der Wahrheit bleibt und den Worten Taten folgen lässt.

    Es liegt offenbar in der Natur der Sache, dass Bürgerinitiativen oder solche Personen, die sich gegen einen Ratsbeschluss aussprechen, von der Politik zunächst der Übertreibung und dem Verbreiten von Halb- bzw. Unwahrheiten bezichtigt werden.
    Die erste Unwahrheit (oder ist es eine Halbwahrheit?) von Ihrer Seite findet sich bereits in der Überschrift Ihrer Pressemitteilung vom 17.05.2021 im Lokalteil der RN/des WA – ob von Ihnen so vorgegeben oder von der lokalen Presse eigenmächtig verschlimmbessert, vermag ich hier nicht zu beurteilen. Die Wahrheit ist jedoch, dass es sich bei den Planungen um ein zweckgebundenes Industrie- und Gewerbegebiet handelt, dass nicht ansatzweise mit Gewerbegebieten zu vergleichen ist, wie wir sie in Werne bereits haben. Der Bürger wird hier meiner Meinung nach bereits in die Irre geführt!
    (Quelle: Sachlicher Teileplan „Regionale Kooperationsstandorte zum Regionalplan Ruhr“ Teil A + B, Anlage 1, Stand April 2020)

    Die zweite erwähnenswerte Halbwahrheit befindet sich zum Ende Ihrer Pressemitteilung, indem Sie im Namen der Verwaltung betonen, dass der Teil südlich der Nordlippestraße nicht Bestandteil des eingeleiteten Bauleitplanverfahrens ist. Wahr ist jedoch mit Verweis auf die zuvor genannte Quelle, dass der Süden Bestandteil der RVR Planung bzw. Beschlussvorlage ist, und dass der Norden ohne den Süden gar nicht möglich ist, da eine Siedlungsanbindung, die zur Realisierung einer solchen Flächenumnutzung zwingend notwendig ist, mit dem Teilstück nördlich der Nordlippestraße allein nicht gewährleistet ist.

    Verbindliche Quellen belegen zudem, dass in der Kreistagssitzung vom 15.12.2020 ursprünglich nur der Süden vorgesehen war und auf Antrag der CDU Kreistagsfraktion der Norden zusätzlich als Kooperationsstandort in Werne mehrheitlich beschlossen wurde. Somit steht also fest, dass das zweckgebundene Gewerbe- und Industriegebiet eine Fläche von rund 600.000 m² umfassen können wird.

    Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Sie haben sich, so wie die SPD, die FDP und die Aktionsgemeinschaft WIR für Werne zuvor, zwar positioniert und begründen Ihre Haltung, aber Transparenz ist in keiner der Stellungnahmen erkennbar. Es ist Ihrerseits zwingend erforderlich, dass Sie Ihren Mitbürgern deutlich vor Augen führen, was dort auf sie zukommen könnte. Es gibt keine saubere Industrie in dieser Größenordnung. Selbst dann nicht, wenn die Flächen mit Logistik zugebaut und die Dächer mit Begrünung und Photovoltaik versehen werden, denn ohne Schwerlastverkehr keine Logistik!

    Ohne das Vorhaben mit der Realisierung einer Logistik für den Pumpenhersteller Wilo aus Dortmund im Wahrbrink angreifen zu wollen verdeutlicht es doch, wie niedrig der Anteil an Beschäftigten pro Quadratmeter in Logistikzentren tatsächlich ist. Und dieser Anteil sowie die Höhe der Löhne bestimmen letztlich die Höhe der Einkünfte der Stadt. Die Relation sollte dem Bürger von Ihnen deutlich vor Augen geführt werden.

    Werne zählt in den letzten Jahren auf Basis der Katasterflächenuntersuchung nach Nutzungsarten im Kreis Unna nach Bönen bereits zu den Spitzenreitern der Gewerbeflächenentwicklung (Quelle: IT.NRW). Prozentual steht Werne damit weit über dem Kreisdurchschnitt und sogar über dem Durchschnitt der Metropole Ruhr!
    Also müssen wir uns doch fragen, mit welchen Begrifflichkeiten unsere (noch) lebenswerte Stadt in Zukunft in Verbindung gebracht werden soll. Während man Städte wie Marl, Leverkusen oder Ludwigshafen unweigerlich mit den dort angesiedelten Chemieparks assoziiert, könnte Werne zum Logistik-Hotspot werden.

    Dass Sie dem Bürgerbegehren und einem Bürgerentscheid positiv gegenüberstehen ist nachvollziehbar, da dieser Prozess der Demokratie für Sie keinerlei Nachteile darstellt. Denn sollte dies scheitern ist Ihre Position gefestigt. Sollte der Bürgerentscheid allerdings den Beschluss kippen, können Sie sich auf die Entscheidung durch die Bürgerinnen und Bürger Ihrer Stadt berufen.

    In den kommenden Wochen werden viele Fragen an Sie gestellt, auf die Sie dann auch bitte klare und verbindliche Antworten geben sollten. Ich freue mich auf konstruktive Gespräche.

    Mit freundlichen aber besorgten Grüßen
    Axel Kersting

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