Werne. In der Lutherbibel bringen sie die Mauern von Jericho zum Einsturz. Doch Posaunen können auch anders. Das bewies das Quartett „Opus 4“ am Sonntag (29. September 2024) beim Konzert der Stiftung Musica Sacra Westfalica vor mehr als 70 Zuhörenden in St. Christophorus: Zurückhaltende und andächtige Sakralmusik lässt sich auf dem Instrument ebenso interpretieren wie schmissiger Jazz und gefühlvolle Romantik.
Auf dem Konzertprogramm standen Höhepunkte aus den 30 Jahren, die das Ensemble inzwischen besteht. Gegründet wurde es 1994 mit vier Posaunisten des Gewandhausorchesters Leipzig. In Werne spielte „Opus 4“ in der Besetzung mit Jörg Richter und dem Mitbegründer Dirk Lehmann (beide vom Gewandhausorchester) sowie Michael Peuker von der Sächsischen Bläserphilharmonie und Wolfram Kuhnt, Mitglied der Staatskapelle Halle.
Das Zusammenspiel mit der Orgel ist ein Schwerpunkt im Repertoire. Den Orgelpart übernahm in Werne Dr. Hans-Joachim Wensing, Kantor der St. Christophorus-Gemeinde. Mit der „Canzona für vier Posaunen und Orgel von Biagio Marini (1597–1663) boten die fünf Musiker einen glanzvollen Auftakt – und nahmen sich umgehend zurück. Denn die „Sonata piano e forte“ von Giovanni Gabrieli (1557–1612) gebot schon vom Namen her zu Beginn leisere Töne. Das strahlende Forte erblühte erst allmählich, untermalt von sachten und satten Orgelklängen. Der Königin der Instrumente allein gehörte eine Folge von Variationen im barocken Stil über den Choral „Gott, aller Schöpfung heil’ger Herr“. Wensing stellte die schlichte Melodie zunächst vor, variierte mit schalmeiähnlichen Register, akzentuierte mit Einwürfen von hellerer Klangfarbe und umspielte das Thema zum Finale hin mit orchestraler Fülle.
Das „Gloria“ von Claudio Monteverdi (1567–1643), gespielt vom Posaunenquartett, changierte zwischen fein verwobener Linienführung und großflächiger Klangfülle; von poetischer Schwermut und emotionaler wie lautmalender Tiefe kündete ein Wechselgesang nach den biblischen Klageliedern: „O vos omnes“ von Tomas Luis de Victoria (1535–1611).
Dazwischen interpretierten „Opus 4“ und Hans-Joachim Wensing feierlich-andächtige Musik italienischer Meister aus der Zeit um 1600: von Cesario Gussago, von Giuseppe Guami und Giovanni Gabrieli. Besonders Gussagos „Sonata La Leona“ stach als eloquentes Frage-Antwort-Spiel zwischen Orgel und Blasinstrumenten heraus. Dabei wirkte es sich positiv aufs Klangbild aus, dass Wensing an der zierlichen Chor-Orgel zwischen den Posaunisten spielte. So konnten Bläser und Organist perfekt aufeinander eingehen und achten.
Einen Höhepunkt stellte Richters Bearbeitung von Bachs „Toccata und Fuge in d-moll“ für vier Posaunen dar. Zwei Jahre habe er daran gearbeitet, verriet der Leiter des Ensembles im Vorfeld. An der Orgel braucht es virtuose Fingerfertigkeit für die schnellen Läufe. Die vier Posaunisten bewiesen dagegen ihre gute Kondition in der Atemtechnik und präzise Anstöße.
Nachdem die letzten Töne verklungen waren, wurde fasziniertes Raunen im Publikum laut. Der spontane Szenenapplaus brach sich allerdings erst Bahn, nachdem die Bläser einen Zeitsprung in die Moderne gemacht hatten – zu „Alexanders Ragtime Band“ von Irving Berlin (1888–1989) und „A Portrait“ von George Gershwin. Zuvor hatten sie mit ausgewogenem Zusammenspiel in drei Stücke von Anton Bruckner – „Ave Maria – Antiphon – Ecce Sacerdos“ –die Polarität zwischen kirchenfestlichem Glanz und stiller Andacht herauskristallisiert. Das erhabene Schlussstück, ein Orchesterwerk von Richard Strauß, für Orgel und Posaunen adaptiert, forderte anhaltenden Applaus und zwei Zugaben heraus.