Samstag, Juli 27, 2024

Visionär mit guten Kontakten: „Man muss einen langen Atem haben“

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Werne. „Ich habe die Angewohnheit, Projekte zu übernehmen, die sich auch realisieren lassen.“ Das sagt Karl-Friedrich Ostholt. Er weiß, wie aus einer Vision mit Hartnäckigkeit und Verhandlungsgeschick Realität wird. Denn im Laufe seines langjährigen Berufslebens hat der heute 77-Jährige so manches Projekt auf den Weg gebracht und begleitet, das zum Erfolg wurde – allen voran der Phönix-See in Dortmund Hörde und das Wahrzeichen der Großstadt, das Dortmunder U.

Karl-Friedrich Ostholt war zuletzt Leiter des Planungsamtes der Stadt Dortmund, bevor er mit 62 Jahren in den Ruhestand ging. In Werne lebt der Sozialdemokrat seit mehr als 30 Jahren, in der SPD ist er seit 1971. 23 Jahre gehörte Ostholt dem Werner Stadtrat an, davon leitete er 22 Jahre die SPD-Fraktion. Mitte der vorletzten Wahlperiode legte er sein Mandat nieder und übergab den Vorsitz damals an Professor Andreas Heinecke. Der Ausstieg war schon bei der vorangegangenen Wahl vorbereitet worden.

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Eine Ausbildung zum Industriekaufmann und ein Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaft waren die Voraussetzungen für seinen beruflichen Werdegang, der in der Düsseldorfer Staatskanzlei begann. Hier beschäftigte er sich mit der Gebietsentwicklungsplanung, wechselte zwischenzeitlich zur Bezirksregierung Münster und trat schließlich 1981 in den Dienst der Stadt Dortmund. Er wurde Leiter des Planungsstabs des damaligen Oberstadtdirektors und setzte anschließend als Chef einer Planungsgruppe die Dortmunder Ideen im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) um. Mit 54 Jahren folgte schließlich der Wechsel an die Spitze der Planungsabteilung.

Erst kurz im Ruhestand, wartete noch einmal eine große Aufgabe auf Ostholt, als ihn der damalige Dortmunder Bürgermeister Ullrich Sierau zurück ins Rathaus holte und ihn im Rahmen einer befristeten Anstellung mit der Planung für die Umnutzung der früheren Union-Brauerei im Stadtzentrum beauftragte. Nach zweieinhalb Jahren war diese Arbeit getan, mit sichtbarem Ergebnis.

Karl-Friedrich Ostholt genießt seitdem das Leben als Pensionär, ist aber hinter den Kulissen weiterhin aktiv. Als Berater der Stadt Werne tut der 77-Jährige das, was sein ganzes Berufsleben geprägt hat: Visionen wirklich werden lassen. WERNEplus hat mit Ostholt über diese Tätigkeit und die derzeit aktuellen Projekte in Werne gesprochen.

Sie haben sich bereits vor Jahren aus dem Berufsleben und dem Stadtrat verabschiedet, doch in der Kommunalpolitik sind Sie weiter im Hintergrund aktiv.  Durch Ihre guten Kontakte zu Fachbehörden und Ministerien wurde unter anderem das Regionale-Projekt „Werne neu verknüpft“ auf den Weg gebracht. An welchen Strippen ziehen Sie noch abseits der Öffentlichkeit?

Meine guten Kontakte zu den überörtlichen Behörden, Ministerien und hier zur örtlichen Politik sind vorhanden, aber in schwindender Tendenz. Das hängt einfach mit dem Alter zusammen und der Tatsache, dass Leute aus bestimmten Positionen herausgehen. Ich bin auf Basis eines Minijobs als Berater der Stadtverwaltung tätig und begleite größere Projekte. Dazu gehören nach dem Regionale-Projekt die zukünftige Nutzung der früheren Zechenbrache und die Initiative zum Bau eines zweiten Gleises auf der Bahnstrecke Münster-Lünen.

Bleiben wir bei der Regionale 2016: Was war Ihr Anteil, dass dieses Landesprojekt in die Umsetzungsphase gelangen konnte?

Beim Regionale-Projekt „Werne neu verknüpft“ bin ich sehr stark eingebunden gewesen. Wir haben rund sechs Jahre gebraucht, dass dieses Projekt die höchste Prioritätsstufe erreicht hat und damit die Finanzierung gesichert war. Ich kann nicht sagen, wie hoch mein Anteil daran war. Durch meine Tätigkeit in Dortmund habe ich gute Kontakte zu den überörtlichen Behörden und die habe ich genutzt, um das Projekt voranzutreiben. Das hätten andere auch hinbekommen, aber zu dem Zeitpunkt, als ich eingestiegen bin, drängte die Zeit. Zum guten Schluss ist in einer der letzten Sitzungen des Regionale-Gremiums die positive Entscheidung getroffen worden.

Bei „Werne neu verknüpft“ handelt es sich ja um ein Maßnahmenbündel. Das ist neben der Schaffung neuer Wegeverbindungen durch den Bau von Kreisverkehren die Neugestaltung des Horne-Grünzuges im innerstädtischen Bereich. Als eine der schwierigsten Aufgaben stand am Anfang die Umwidmung der Bundesstraße zu einer Gemeindestraße. Ich hatte schon früher mit dem Landesbetrieb StraßenNRW zu tun, doch diese Verhandlungen waren ein Kunststück der ganz besonderen Art. Das hat enorm Zeit gekostet. An der weiteren Umsetzung bin ich jetzt nicht mehr beteiligt. Wenn man das einmal durchbekommen hat, wird das umgesetzt. Jetzt geht es „nur noch“ um die Realisierung.

Welche Chancen bietet „Werne neu verknüpft“ Ihrer Meinung nach für die Stadt Werne?

Die B54 in alter Führung hat die Stadt in zwei Hälften geteilt und hat eine breite Schneise durch die ganze Stadt geschlagen. Das war früher mal eine Umgehungsstraße, die sie hinterher nicht mehr war. Das Projekt hätten wir nicht umsetzen können, wenn die Straße in dieser Klassifizierung geblieben wäre, denn dann hätte man für die Gestaltung des Horne-Grünzugs keinen Platz gehabt. Wenn das mal fertig ist, hat man eine große Aufwertung der Lebensqualität durch eine attraktive Grünanlage und eine erhebliche Reduzierung des Verkehrs erreicht. Wenn man sieht, welches Verkehrsaufkommen auf der neuen Umgehung herrscht, spürt man schon den Gewinn. Den Verkehr hätten wir in der Innenstadt gehabt. Die Umgehungsstraße war die wesentliche Voraussetzung für das Regionale-Projekt. Der Bau war auch eine ökologische Angelegenheit, denn die Lärm- und Schadstoffbelastung im Stadtgebiet sind erheblich gesunken. Das ist wirklich eine Klimaschutzmaßnahme.

Der Horne-Grünzug soll im Rahmen des Regionale-Projektes umgestaltet werden und zum neuen Erholungsort für die Werner Bürger werden. Durch die Mitwirkung von Karl-Friedrich Ostholt ist das Projekt in die Förderung durch das Land gelangt. Visualisierung: Stadt Werne
 

Im Stadtentwicklungsausschuss wurde jetzt der Zeitplan für das Projekt vorgestellt. Voraussichtlich 2030 soll die Fertigstellung erfolgen. Was muss auf diese Maßnahmen bei der städtischen Entwicklung folgen?

Was in der Stadt bereits gemacht wurde, geht ein bisschen dadurch unter, dass die Maßnahmen nach und nach erfolgt sind. Die gesamte Innenstadt ist in der Zeit, in der ich Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses war, nach einem einmal festgelegten Plan konsequent umgebaut worden. Das letzte Stück in der Bonenstraße ist gerade erst fertiggeworden, Baubeginn in der Steinstraße war 2011. Ein Problem sind heute die Leerstände von Geschäften, doch ich sehe das nicht ganz so dramatisch. Leerstände gibt es mit wenigen Ausnahmen inzwischen überall. Je weiter man an die Ränder von Innenstädten geht, umso größer wird dieses Problem. Sie werden es schlecht schaffen, diese Leerstände zu beseitigen, wenn man darauf wartet, dass neue Unternehmen dort reingehen. Es gibt Lösungsmodelle, das setzt aber voraus, dass sich die Stadt möglicherweise an der Miete beteiligt. Das machen einige Städte.

Die zweite Lösung würde ich präferieren. Bei verschiedenen Objekten, denen zusätzlich noch die Verwahrlosung droht, müsste man sich überlegen, ob die Stadt sie nicht kauft und selbst weiterentwickelt.  Die Gebäude sollten in Wohnungen umgewandelt werden. Die Attraktivität einer Innenstadt wird heute immer verbunden mit Einkaufen und Gastronomie. Das ist aber nicht die Zukunft. In Werne könnte ich mir ein Modell vorstellen, dass die Stadt Objekte kauft, unter Umständen selbst entwickelt und dann am Markt anbietet. Nehmen wir zum Beispiel das lange leerstehende, denkmalgeschützte Gebäude am Kirchhof 3. Das bietet sich für eine Wohnnutzung an.  Ich bin mir sicher: Wenn Sie da Wohnungen bauen, werden Sie die los. Das gilt auch für andere Gebäude in der Innenstadt. Für solche Projekte gibt es in anderen Städten schon gute Beispiele, wo ehemalige gewerblich genutzte Gebäude zu Wohnhäusern umfunktioniert wurden. Das sieht häufig sogar besser aus als ein Neubau. In der Nachbarstadt Hamm geht man inzwischen diesen Weg, so hat die Stadt zum Beispiel das ehemalige Kaufhaus Ter Veen und den Kaufhof übernommen.

Auf dem Zechengelände soll eine Surfanlage entstehen, die in der Öffentlichkeit umstritten ist. Braucht Werne das Projekt „Surfwrld“?

Wir haben in Dortmund bei Planungen für industrielle Altstandorte immer darauf geachtet, dass wir einen Attraktionspunkt auf der Fläche selbst haben. Das ist beispielsweise der See auf Phoenix Ost in Hörde. Man hätte dort einfach ein Gewerbegebiet machen können. Dann ist aber ein Mischgebiet von Wohnen, Dienstleistung und Erholung entstanden, das von den Leuten   angenommen wird. Auch den Turm der Union-Brauerei in der Dortmunder Innenstadt hätte man abreißen können, doch daraus ist eine Attraktion entstanden. Auf dem Werner Zechengelände ist es das Gleiche.  Hier gibt es keine 08/15-Lösung. Wohnen ist auf der Brache sehr problematisch, die Alternative wäre Gewerbe. Jetzt bekommen wir eine hochkarätige Forschungseinrichtung, in der Simulationen zum Beispiel für den Deichbau durchgeführt werden können.  Und gleichzeitig gibt es das Freizeitangebot Surfen. Das ist eine Attraktion für Werne und ich habe schon viele positive Rückmeldungen erhalten. Als Schreckgespenst werden von den Gegnern die prognostizierten rund 200.000 Besucher im Jahr angesehen. Doch die hat jeder mittelmäßige Discounter auch. Die Fläche im jetzigen Zustand ist nicht besonders, auch wenn Herr Nowak (Anm. der Redaktion: Ornithologe Klaus Nowak hat die Fläche untersucht und Arten entdeckt, die auf der roten Liste stehen) etwas anderes festgestellt hat. Für die Planung relevant ist eine einzige Art, die dort brütet. Alle anderen Arten, die sich dort von Zeit zu Zeit aufhalten, sind wie ziehende Kraniche auf Rügen.

Was ist Ihr persönlicher Anteil an dem Projekt?

Ich stelle die Verbindungen zu den beteiligten Fachbehörden, Ministerien und Förderstellen her. An der Planung selbst bin ich nicht beteiligt.

Auf der alten Zechenbrache in Werne soll der größte Surfpark der Welt entstehen. Foto: Kreativshooting / Thomas Schütte
Auf der alten Zechenbrache in Werne soll der größte Surfpark der Welt entstehen. Foto: Kreativshooting / Thomas Schütte

Glauben Sie, dass die „Surfwrld“ kommen wird?

Ich glaube, dass die „Surfwrld“ eine sehr realistische Chance hat. Wenn die Entscheidung für die Förderung getroffen wird, geht die Umsetzung schnell. In zwei bis drei Jahren kann das fertig sein.

Im „Bahnbündnis Westfalen“ macht sich die Region stark für den Ausbau des zweiten Gleises zwischen Münster und Lünen. Sie gelten als Initiator dieses Bündnisses, in dem sich die Anrainerkommunen, die Industrie- und Handelskammern Münster und Dortmund sowie die wirtschaftlichen Interessenvertreter der Städte engagieren. Sie selbst vertreten die Stadt Werne in dem Gremium. Jetzt gibt es neue Hoffnung, weil der Ausbau zwischen Münster und Werne auf der Prioritätenliste nach oben gerutscht ist. Glauben Sie, dass eine Realisierung bevorsteht?

Ich habe die Angewohnheit, Projekte zu übernehmen, die sich auch realisieren lassen. Aber man braucht eine Engelsgeduld, um so etwas umzusetzen. Eines möchte ich aber klarstellen: Ich bin nicht der Initiator des Bahnbündnisses Westfalen. An diesem Bündnis haben zwei Akteure parallel gearbeitet, ohne dass sie voneinander wussten. Das waren Michael Zurhorst und Adelheid Hauschopp-Francke von „Wir für Werne“ und die Planungsabteilung der Stadt Dortmund auf Auftrag des Oberbürgermeisters. Ich habe dann gesagt, ich kümmere mich mal darum und war intensiv beteiligt, die Teilnehmer zu aktivieren und ein erstes Treffen genau in der Mitte der Strecke, in Werne, zu organisieren. Von da ab lief das eigentlich.

Welche Hemmnisse müssen noch aus dem Weg geräumt werden?

Das Projekt ist jetzt um eine Prioritätsstufe im Bundesschienenwege-Ausbauplan nach oben gerutscht und damit ist die grundsätzliche Planbarkeit gegeben. Jetzt muss eine Entscheidung getroffen werden, wie das finanziert wird. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann das aus dem Nahverkehrstopf des Landes finanzieren oder aus den Mitteln des Bundes. Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt.  Wir brauchen jetzt ein Treffen mit dem Landesverkehrsminister, um die Planung für die 28 Kilometer von Münster nach Werne zu konkretisieren.

Der weitaus kompliziertere Teil ist der Ausbau von Werne nach Lünen, denn hier haben wir es im Stadtgebiet Lünen mit geschlossener Bebauung zu tun. Das sollten wir weiter im Auge haben. Wesentlich leichter zu realisieren ist aufgrund der ländlichen Struktur der jetzt priorisierte Abschnitt Münster-Werne. Schwierig wird es allerdings, die Planung durchzuführen, denn dafür stehen keine Kapazitäten zur Verfügung. Sämtliche Großstädte, die ich kenne, stehen vor dem Problem, dass es keine Planer gibt. Hier zeigt sich der Fachkräftemangel in Deutschland.

Warum ist das zweite Gleis für Werne bzw. die Region von so großer Bedeutung?

Der Vorteil ist, dass der Fernverkehr verstärkt über diese Gleise laufen kann. Davon hat die Stadt Werne nichts, aber Dortmund und Münster. Aber man kann den Nahverkehr auf der Strecke verdichten und den RRX einsetzen, der bereits auf anderen Strecken in Nordrhein-Westfalen fährt.  Dann kommt man zum Halbstundentakt.

Aus eins mach' zwei: Die Chancen auf ein zweites Gleis zwischen Münster und Dortmund sind deutlich gestiegen. Foto: Wagner
Aus eins mach‘ zwei: Die Chancen auf ein zweites Gleis zwischen Münster und Dortmund sind deutlich gestiegen. Foto: Wagner

Wann wird die Einweihung stattfinden?

In acht bis zehn Jahren. Das kann man hinkriegen. Wenn Finanzierung und Planung stehen, ist der eigentliche Bau kein Problem mehr.

Die Entwicklung der Stadt ist abhängig von soliden Finanzen. Deshalb bemüht sich die Wirtschaftsförderung um die Ansiedlung neuer Betriebe, um die Einnahmen aus der Gewerbesteuer zu erhöhen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Flächen sind inzwischen verbraucht und noch unter Ihrer Regie im Planungsausschuss begann bereits vor Jahren die Vorbereitung für ein neues Gewerbegebiet in Nachbarschaft zum Autohof. Nun ist in der Regionalplanung der Standort am Kreisverkehr Nordlippestraße/B54 festgeschrieben worden. Was halten Sie von dieser Planung?

Ich betrachte das Thema zunächst einmal standortfrei: Sie kommen in dieser Stadt nicht daran vorbei, irgendwo Flächen für Gewerbeansiedlungen zu schaffen. Was darauf geschieht, müssen nicht diese Schreckensbilder sein, die von den Gegnern gezeichnet werden. Ich kenne keinen Ort im Ruhrgebiet, wo Schornsteine noch in einer derartigen Massierung stehen. Heute gibt es völlig andere Typen von Industriebetrieben. Ein Beispiel: Im Dortmunder Technologiepark gibt es nicht nur Forschung, sondern auch Fabrikationsbetriebe. Das spielt sich dort in Reinlufträumen ab. Da hören Sie nichts und da kommt auch nichts nach draußen. Wir werden, auch durch die aktuellen Lieferengpässe von Teilen für die Produktion durch die Corona-Krise bedingt, einen wachsenden Druck auf die Notwendigkeit neuer Gewerbeflächen bekommen.

Wenn man Gewerbegebiete macht, sollte man sie möglichst groß zuschneiden. Ich kann sie dann bauordnerisch besser gliedern und andere Elemente hereinnehmen, als wenn ich auf zehn Hektar zusammengedrückt werde. Auch Verkehrsfragen lassen sich in großen Gebieten wesentlich besser regeln. Die Hanglage an der B54 bietet zum Beispiel neue gestalterische Möglichkeiten. Egal, welches Unternehmen sich ansiedelt, werden Parkplätze benötigt. Die lassen sich in der dort vorhandenen Hanglage gut kaschieren, indem ich sie wie eine Souterrain-Wohnung hinten reinschiebe. Dann habe ich in der Erde zwei oder drei Etagen und oben guckt eine raus. Ich würde auch versuchen, möglichst viel Land zu erwerben, unter Umständen auch die beiden dort stehenden Hofanlagen. Die kann ich mir in einem Gewerbegebiet gut vorstellen, und zwar in einer völlig anderen Funktion als Gewerbe.

„Man kann sich nicht hinsetzen und nichts tun. Dann bekommen Sie in anderen Bereichen ein massives Problem.“

Karl-Friedrich Ostholt zur Zukunft von Gewerbeflächen in Werne.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht dieses neue Gewerbegebiet für die Stadt Werne?

Sie brauchen für die Zukunft Gewerbeflächen, man kann sich nicht hinsetzen und nichts tun. Dann bekommen Sie in anderen Bereichen ein massives Problem. Die Stadt nimmt Gewerbesteuern ein, um sie in die Infrastruktur zu investieren. Ich muss, wenn ich Werne voranbringen will, neben einer attraktiven Innenstadt, einer gut aufgestellten Schullandschaft und einem guten Gesundheitssystem auch Arbeitsplätze und attraktiven Wohnraum haben. Die beiden letzten Faktoren sind nun mal mit Flächenverbrauch verbunden.

Der Standort stößt auf massiven Widerstand bei den Bürgern, die Initiative „BIN“ hat fast 5.500 Unterschriften für die Durchführung eines Bürgerbegehrens gesammelt. Wie beurteilen Sie diesen Protest?

Ich habe für den Widerstand der Bürgerinitiative großes Verständnis, denn das ist deren gutes Recht. Ich bin aber der Auffassung der Gemeinschaft „Wir für Werne“, dass man das Planverfahren durchführen sollte, um am Ende festzustellen: Geht es denn überhaupt?

Nachdem der Stadtrat das Bürgerbegehren abgelehnt hat, kommt es nun zum Bürgerentscheid. Wie sehen Sie die Chancen, dass das Gewerbegebiet umgesetzt werden kann?

Das weiß ich nicht.  Das hängt von der weiteren Diskussion über das Thema ab. Auch die Stadt wird die Bürger informieren und zu Veranstaltungen einladen. Vor dem Hintergrund der eingereichten Unterschriften für das Bürgerbegehren kann es aber durchaus sein, dass das Gewerbegebiet verhindert wird. Das ist nicht ausgeschlossen. Aber ich halte es für sehr wichtig, dass man diese Frage mit allem Für und Wider diskutiert.

Verständnis zeigt Karl-Friedrich Ostholt für die Gegner des geplanten Gewerbe- und Industriegebietes an der Nordlippestraße. Foto: Isabel Schütte

Die BIN kritisiert, dass der Standort Nordlippestraße den Flächenbedarf für das Ruhrgebiet decken soll und dass die Stadt keinen Einfluss auf die Vermarktung hat. Was sagen Sie dazu?

Ich kann das so gestalten, dass ich jederzeit einen Einfluss auf die Vermarktung habe. Die Stadt muss ohnehin die Bauleitplanung machen und sagen, dass sie in den Grundbesitz mit einsteigt und ohne sie nichts passiert. Das Sicherste sind Besitzverhältnisse, aber ich kann auch in der Bauleitplanung festschreiben, was ich haben will oder nicht. Diese Sorge ist für mich deshalb die geringste.

Klimaschutz und Flächenversiegelung für neue Gewerbebetriebe: Passt das Ihrer Meinung nach zusammen?

Ich kenne Gewerbegebiete in Holland, die sind ein Stück weiter als wir, sowohl was die Architektur angeht als auch die Maßnahmen zum Umweltschutz. Sie könnten ein gutes Beispiel für Werne sein. Man muss sich aber zunächst die Frage stellen, welchen ökologischen Wert die Fläche, die intensiv für die Landwirtschaft genutzt wird, jetzt hat. Wenn ich das abwägen will, brauche ich eine genaue Untersuchung und am Ende eine Wertziffer, die ich mit der Planung vergleichen kann. Die Frage ist doch: Was wird versiegelt und wie sehen meine Ausgleichsmaßnahmen aus?

Sie waren viele Jahre in ihrer beruflichen Position als Planungsamtsleiter in Dortmund und als Politiker in Werne an kommunalpolitischen Prozessen maßgeblich beteiligt. Vorzeigeprojekte wie das Kultur- und Kreativzentrum Dortmunder U und der Phönix-See auf einer früheren Industriebrache in Hörde tragen Ihre Handschrift. Projekte, die einen langen Atem brauchten. Welchen Rat geben Sie der Verwaltung und den Kommunalpolitikern in Werne?

Ja, man braucht einen langen Atem, wenn man etwas umsetzen will. Und man muss sich der Kritik stellen. „Was habt Ihr da wieder für einen Irrsinn geplant?“ Oder „Das klappt doch sowieso nicht“ waren noch die harmlosen Aussagen, die ich in meiner Tätigkeit in Dortmund oft gehört habe. Aber man muss am Ball bleiben, auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt.

Kommunalpolitiker sind in der Öffentlichkeit der Kritik ausgesetzt, vor allem in den sozialen Medien müssen sie sich immer wieder aufs Übelste beschimpfen lassen. Glauben Sie, dass es in Zukunft noch gelingen wird, Bürger dafür zu gewinnen, sich ehrenamtlich in der politischen Arbeit zu engagieren und sich für das Gemeinwohl einzusetzen?

Mit den sozialen Medien habe ich persönlich keine Probleme. Ich bin nicht online und nehme das nicht wahr. Aber tatsächlich hemmt der schonungslose Umgang mit Politikern viele Bürger, sich politisch zu engagieren. Und es scheiden Leute aus, völlig unabhängig von ihrer politischen Einstellung, die über große Fachkenntnis und Wissen verfügen. Es wird immer schwerer, diese Lücken zu füllen. Das ist sehr bedauerlich. 

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