Montag, Mai 20, 2024

Prozess gegen Tierquäler: Angeklagter gesteht im „Fall Mecke“

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Werne/Lünen. Im großen Saal des Amtsgerichts Lünen blieb am Mittwochvormittag (10. Januar 2024) kein Platz mehr frei. Die öffentliche Verhandlung gegen einen Mitarbeiter des Schlachtbetriebs Mecke stieß wie erwartet auf großes Interesse.

Unter den Zuschauern waren ehemalige Angestellte des inzwischen geschlossenen Betriebes, Tierschützer sowie Pressevertreter. Der Angeklagte, ein 40 Jahre alter Mann aus Werne, räumte die ihm vorgeworfenen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz ein – und belastete gleichzeitig den Inhaber des Werner Betriebs, Marko Mecke, schwer.

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Dieser hätte am Mittwoch ebenfalls auf der Anklagebank des Schöffengerichts sitzen sollen, ebenso wie ein weiterer Mitarbeiter seines Betriebs. Zwei Tage vor Beginn der Verhandlung teilte Amtsgerichtsdirektor Dr. Niklas Nowatius der Presse jedoch mit, dass diese Verfahren abgetrennt worden seien. Den Verteidigern der beiden Angeklagten solle „weitere Akteneinsicht gewährt werden“. Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz hält „diese taktischen Manöver für bedauerlich“. Sie erschweren es, den Fall aufzuarbeiten. „Es zieht die Sache unnötig in die Länge, macht sie teurer für den Steuerzahler und gibt Leuten wie Herrn Mecke, die ja wirklich die Hauptverantwortlichen hinter dem Ganzen sind, die Chance, sich dem Ganzen auch zu entziehen.“

„Es zieht die Sache unnötig in die Länge, macht sie teurer für den Steuerzahler und gibt Leuten wie Herrn Mecke, die ja wirklich die Hauptverantwortlichen hinter dem Ganzen sind, die Chance, sich dem Ganzen auch zu entziehen.“

Friedrich Mülln (Soko Tierschutz) dazu, dass das Verfahren gegen den Firmeninhaber abgetrennt wurde.

Vor zweieinhalb Jahre hatte der gemeinnützige Verein Soko Tierschutz die Quälerei von Rindern in der Viehsammelstelle des Schlachtbetriebs Mecke aufgedeckt. Die Videoaufnahmen von brutal misshandelten Tieren empörten damals die Bundesrepublik. Im Gericht wurden die Filme nicht noch einmal gezeigt. Was die Tiere erleiden mussten, kam jedoch in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund schonungslos zur Sprache. Sie vorzulesen dauerte fast 30 Minuten: In 38 Fällen sollen Mecke und zwei seiner Mitarbeiter zwischen Mai und Juli 2021 gegen das Tierschutzgesetz verstoßen haben.

Friedrich Mülln, Mitbegründer des Vereins Soko Tierschutz, bedauerte die Abtrennung des Verfahrens gegen Marko Mecke von der Hauptverhandlung. Foto: Schwarze

Die Mehrzahl der in Werne angelieferten Tiere hätte überhaupt nicht mehr transportiert werden dürfen. „Sie hätten bereits in den landwirtschaftlichen Betrieben behandelt oder notgeschlachtet werden müssen“, hieß es in der Anklageschrift. Die Tiere wären in der Viehsammelstelle oft 24 Stunden – in einem Fall sogar 48 Stunden – nicht mit Wasser oder Futter versorgt worden. Die meisten seien so krank und geschwächt gewesen, dass sich nicht mehr bewegen geschweige denn aufstehen konnten. Die Staatsanwaltschaft machte zudem deutlich, dass der Zustand der transportunfähigen Rinder für jeden erkennbar gewesen sei. Trotzdem habe sie der jetzt angeklagte Mitarbeiter mit einem Kunststoffrohr geschlagen und mit der Mistgabel gestochen, um sie auf den Schlachttransporter zu treiben. Einige Tiere überlebten die Tortur nicht und verendeten an der Sammelstelle.

„Das ist nicht zu entschuldigen“, sagte der 40-Jährige auf der Anklagebank. Aber er habe unter großem Druck gestanden. Er habe schon unter dem Seniorchef des Betriebs auf dem Gelände der Sammelstelle gewohnt und gearbeitet. Zunächst sei er nur für die Versorgung der Pferde zuständig gewesen, die hier ursprünglich angenommen worden seien. Nachdem der Junior den Betrieb übernommen habe, seien immer wieder Rinder dazugekommen – durchgehend dann im Frühsommer 2021. Auf Anweisung seines Chefs habe er die Tiere nicht tränken dürfen. „Das soll für die Schlachtung besser sein“, gab der Angeklagte als Begründung an.

Wiederholt sagte er aus, seinen Chef immer wieder auf den Zustand der schwerstkranken Tiere hingewiesen zu haben. Dieser habe ihm daraufhin gedroht: ihm zu kündigen und ihn samt Ehefrau und sechs Kindern auf die Straße zu setzen. Oder es habe einfach geheißen: „Du kannst dich auf etwas gefasst machen.“ Erst als die Zustände in der Sammelstelle aufgeflogen waren, habe sich der Tonfall geändert. Mecke habe seine Familie und ihn auf einer Weide getroffen und gesagt: „Wenn ihr zu mir haltet, wird es euch finanziell nicht schlecht gehen.“

Vor Beginn der Verhandlung protestierten Tierschützer gegen die Misshandlung von Lebewesen. Foto: Schwarze

Der Angeklagte schilderte weiter, dass er trotz seiner geringfügigen Beschäftigung auf Abruf bereitstehen musste. „Wenn Herr Mecke wusste, dass die Schlachter Zeit hatten, rief er mich an und ich musste die Tiere schnell von der Sammelstelle verladen und abliefern.“ Mit der Zeit sei dann eine Verrohung gegenüber den Tieren eingetreten, erklärte der Verteidiger für seinen Mandanten, der mit den Tränen kämpfte.

Amtsrichterin Beatrix Pöppinghaus und der Vertreter der Staatsanwaltschaft Dortmund waren davon nicht überzeugt. „Sie lassen nicht erkennen, dass Ihnen das alles nicht passt“, sagte Pöppinghaus, als sie Videoaufnahmen beschrieb, in denen der Angeklagte einer Kuh zu viel Blut abgezapft hatte. „Ohne jeden Zweifel sind Sie derjenige gewesen, der auch über das Wohl und Wehe dieser Tiere entscheiden konnte.“ Der Staatsanwalt rechnete vor, dass jemand mit einem 450-Euro-Job seine achtköpfige Familie nur unterhalten könne, wenn er vom Staat „alimentiert“ würde. „Würden Sie das als wirtschaftliche Abhängigkeit betrachten?“, fragte er den Angeklagten. Der ließ seinen Verteidiger mit „Nein“ antworten.

Wie schon die Aufdeckung des Skandals erregte auch die Gerichtsverhandlung breite mediale Aufmerksamkeit. Foto: Schwarze

Da die Hauptverhandlung auf mehrere Tage angesetzt ist, kam es am Mittwoch zu keiner weiteren Entscheidung. Die Verhandlung wird am Mittwoch, 31. Januar 2024, fortgesetzt. Dann soll Dr. Anja Dirksen vom Veterinäramt Unna als Zeugin vernommen werden.

Ein neuer Hauptverhandlungstermin gegen Mecke und den dritten Angeklagten steht noch nicht fest.

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