Werne. „Die Grundsteuer so zu belassen, ist keine Option. Ein weiteres Millionenloch verträgt der Haushalt nicht“, sagte Bürgermeister Lothar Christ im vergangenen Haupt- und Finanzausschuss. Die Tendenz der kommunalen Familie gehe mehrheitlich zur einheitlichen Erhöhung der Hebesätze. Zur letzten Debatte kommt es am Mittwoch, 4. Dezember, im Stadtrat. Doch der Ausgang scheint bereits beschlossen.
Abermals stellte Stephan Krüger, persönlicher Referent des Kämmerers Marco Schulze-Beckinghausen, im Fachausschuss den aktuelle Sachstand dar, basierend auf neu veröffentlichten Rechtsgutachten. „Gerechtigkeit ist kein erreichbares Ziel. Es wird Gewinner und Verlierer geben“, sagte er.
Bei Beibehaltung der bisherigen Hebesätze würde im städtischen Haushalt ein weiteres Loch in Höhe von rund 1,7 Millionnen Euro entstehen. Variante B sehe eine Anpassung auf aufkommensneutraler Höhe vor, bedeutet: Hebesatz Grundsteuer A von 400 Prozent um 41 Prozent-Punkte auf 441 Prozent (Steigerung um +10,25 Prozent); Hebesatz Grundsteuer B von 665 Prozent um 219 Prozent-Punkte auf 884 Prozent (Steigerung um +32,93 Prozent).
21 Bürgeranträge hätten die Stadtkämmerei erreicht, schilderte Krüger. Und weiter: „Die nehmen wir ernst.“ Die Mehrheit spreche sich für die Anpassung der Hebesätze auf aufkommensneutraler Höhe inklusive Differenzierung der Grundsteuer B, „weil dies möglicherweise gerechter“ sei. Bedeutet: Hebesatz Grundsteuer A von 400 Prozent um 41 Prozent-Punkte auf 441 Prozent (Steigerung um +10,25 Prozent); Hebesatz Grundsteuer B für Wohngrundstücke von 665 auf 729 Prozent (Steigerung um +9,62 Prozent); Hebesatz Grundsteuer B für Nichtwohngrundstücke von 665 auf 1.306 Prozent (Steigerung um +96,39 Prozent). „Diese dritte Variante birgt eine enorme Rechtsunsicherheit“, so Krüger, der eine mögliche Klagewelle von Gewerbetreibende auf die Stadt zurollen sieht.
Auf die Frage von Dr. Thomas Gremme (UWW), angesichts der Rechtsunsicherheit noch abzuwarten mit der Umsetzung, antwortete Lothar Christ: „Das Thema wird nicht besser mit der Zeit. Man hat den Kommunen ein faules Ei ins Nest gelegt, mit dem Druck, bei der anstehenden Kommunalwahlen eine Entscheidung zu treffen.“ Dirk Pohl (SPD) pflichtete bei: „Es ist auch später keine Rechtssicherheit zu erwarten.“
Lars Hübchen, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten, sprach von einem „Scheiß-Thema“, haderte mit Bund und Land, die es „verbockt“ hätten, Verlässlichkeit herzustellen. „Das ist eine bittere Pille, wir müssen zwischen Pest und Cholera wählen“, so der SPD-Ratsherr weiter. Benedikt Striepens (Bündnis 90 / Die Grünen) stimmte zu: „Es ist traurig, dass die Verantwortung nach unten delegiert worden ist.“ Christian Lang (CDU) beteiligte sich nicht an der Diskussion, teilte nur kurz und knapp mit: „Unsere Fraktion wird für die Variante B stimmen.“
Insgesamt fällt nach weiteren Beratungen in den Fraktionen morgen die Entscheidung im Stadtrat, der ab 17.30 Uhr in der Mensa des Anne-Frank-Gymnasiums tagen wird.
„Das Szenario einer Klagewelle bei der Erhebung von differenzierten Hebesätzen können wir nicht verantworten“, machte der Bürgermeister den Standpunkt der Verwaltung für Variante B unmissverständlich klar.
Die Präsentationen zum Sachstand „Grundsteuerreform“ sind dem Ratsinformationssystem zu entnehmen: https://buergerinfo.werne.de/sessionnet/buergerinfo/si0057.asp?__ksinr=3348
Hintergrund
Das Bundesverfassungsgericht hat das derzeitige System der grundsteuerlichen Bewertung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt, da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele und so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstoße. Es hat weiterhin entschieden, dass spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine gesetzliche Neuregelung getroffen werden musste. Die Grundsteuer kann jedoch in ihrer jetzigen Form übergangsweise bis zum 31. Dezember 2024 weiter erhoben werden. Ab dem 1. Januar 2025 wird dann die Grundsteuer auf Grundlage des neuen Rechts erhoben. (Quelle: Bundesfinanzministerium)